Dienstag, 31. Dezember 2013







Eine Frau träumte, sie beträte einen ganz neuen Laden am Markt,
und zu ihrem Erstaunen stand Gott hinter dem Ladentisch.

„Was verkaufst du hier?" fragte sie.

„Alles, was dein Herz begehrt“, sagte Gott.

Die Frau wagte kaum zu glauben, was sie hörte,
beschloss aber das Beste zu verlangen, was ein Mensch sich nur wünschen konnte.
„Ich möchte Frieden für meine Seele und Liebe und Glück,
und weise möchte ich sein und nie mehr Angst haben", sagte sie.

Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: „Nicht nur für mich allein,
sondern für alle Menschen auf der Erde."

Gott lächelte: „Ich glaube, du hast mich falsch verstanden,
meine Liebe", sagte er,
„wir verkaufen hier keine Früchte, nur die Samen."


unbekannter Autor

Montag, 30. Dezember 2013




Ein frommer und religiöser Mann hatte schwere Zeiten durchzumachen. 
Er versuchte es nun mit folgendem Gebet:
„Herr, erinnere dich an all die Jahre, in denen ich dir diente, 
so gut ich konnte und nichts dafür verlangte. Nun, da ich alt und bankrott bin, 
möchte ich dich zum ersten Mal in meinem Leben um eine Gunst bitten, 
und ich bin sicher, du wirst sie nicht abschlagen: lass mich in der Lotterie gewinnen."




Tage vergingen, 







dann Wochen 




und Monate. 







Nichts geschah. 















Schließlich rief
er eines Nachts voller Verzweiflung: 
„Warum gibst du mir keine Chance, Gott?"




















Plötzlich hörte er die Stimme Gottes:










„Gib mir auch eine Chance! 




















Warum kaufst du dir kein Los?"

Anthony de Mello

Sonntag, 29. Dezember 2013







Wir sind dann weise, wenn wir Gott die Entscheidung überlassen,
was Glück und was Unglück ist;
wenn wir ihm danken, 

dass für jene, die ihn lieben, alles zum Besten gedeiht.

Dann werden wir ein wenig an der wunderbaren mystischen Vision der Juliana von Norwich teilhaben, die einen Ausspruch tat, der mir von allen, die ich je gelesen habe, der liebste und tröstlichste ist:

„Und alles wird gut sein; 

 und alles wird gut sein;  
und alle Dinge, die es gibt, 
werden gut sein!"


Anthony de Mello

Samstag, 28. Dezember 2013

Kirche von Eunate

Die Wahrheit hat nichts zu tun
mit der Zahl der Leute,
die von ihr überzeugt sind.


Paul Claudel

Freitag, 27. Dezember 2013


In der Tat ist es auffallend, daß Jesus keinerlei „Macht“ über die Menschen ausübte und ausüben wollte.
Die unleugbare Faszination, die von ihm ausging
- die “Massen“ folgten ihm, um ihn zu hören - nutzte er in keiner Weise aus, um Macht auszuüben …
„Macht“ hat er nur über das Böse;
hier liegt der Sinn der Heilungen, der Wunder oder des herrlichen Bildes von dem Sturm, den er stillte.

Und er hat Macht über den Tod, aber indem er ihn auf sich nimmt.

Selbst im Augenblick, da er auf die Ausübung jedweder „übernatürlicher Macht“ verzichtet, durch die verhindert werden könnte, was geschehen wird.
Gegenüber all diesen Mächten hat er keine andere Macht, als zu schweigen.

Marc Oraison

Donnerstag, 26. Dezember 2013

Sternenkuppel in der Kathedrale von Burgos



Gotteserfahrung braucht nichts Sensationelles oder Ungewöhnliches zu sein.
Die Gotteserfahrung ist zweifellos verschieden von unseren alltäglichen Erfahrungen:
Sie kann sich zum Beispiel in der tiefen inneren Stille mitteilen;
in der Erfahrung leuchtender Dunkelheit oder der Leere, die Erfüllung bringt.
Man kann plötzliche, unerklärliche Blitze der Ewigkeit oder der Unendlichkeit erfahren,
die uns erreichen, wenn wir am wenigsten auf sie gefasst sind,
etwa mitten in der Arbeit oder beim Spiel. ...

So wenig müssen wir tun, um Gott zu erfahren.
Wir müssen nur still werden - und uns der Empfindungen in unserer Hand bewusst werden.

Da hast du Gott, lebendig und tätig in dir, er berührt dich, er ist dir sehr nahe.
Spüre ihn, erfahre ihn!


Anthony de Mello

Mittwoch, 25. Dezember 2013

Sternenkuppel in der Kathedrale von Burgos


„Willst du uns denn nicht ,Frohe Weihnachten' wünschen?"
wurde der Meister gefragt. 

Er warf einen Blick auf den Kalender, sah, dass Donnerstag war, und sagte:
„Ich möchte euch lieber einen ,Frohen Donnerstag' wünschen."

Das verletzte das Empfinden der Christen im Kloster, bis der Meister erklärte:
„Millionen werden sich nicht über den heutigen Tag,
sondern über Weihnachten freuen,
wodurch ihre Freude von kurzer Dauer ist.
Aber für alle,
die sich über den heutigen Tag zu freuen gelernt haben, ist jeder Tag ein Weihnachten."

Anthony de Mello

Dienstag, 24. Dezember 2013

Sternenkuppel in der Kathedrale von Burgos



Was kann man tun, um glücklich zu sein? 

Nichts! 
Man kann nichts tun, braucht nichts Zusätzliches; 

du musst etwas lassen: 
Deine Illusionen, 
deine Ambitionen, 
deine Sehnsüchte. 

Wie lässt man von denen? 

Indem man erkennt, dass sie falsch sind.


Anthony de Mello


Montag, 23. Dezember 2013





Den eigenen Anteil an Schuld
erkennen, bekennen,
dafür um Verzeihung bitten
wiedergutmachen.

Man hört auf damit,
andere zu beschuldigen,
und beginnt,
seine eigenen Fehler und Ungerechtigkeiten
zu erkennen.

Das ändert sofort die Atmosphäre.


Alexander Solschenizyn

Sonntag, 22. Dezember 2013




Hundert oder mehr Jahre
hat Europa bloß noch studiert und Fabriken gebaut!
Sie wissen genau, wie viel Gramm Pulver man braucht,
um einen Menschen zu töten,
aber sie wissen nicht, wie man zu Gott betet.

Hermann Hesse

Samstag, 21. Dezember 2013



Das Paradies pflegt sich erst dann
als Paradies zu erkennen zu geben,
wenn wir daraus vertrieben wurden.

Hermann Hesse

Freitag, 20. Dezember 2013



Dort, wo die meiste Freude ist,

ist auch die meiste Wahrheit.

 

Paul Claudel

Donnerstag, 19. Dezember 2013

 


Halte Du meine Hand!

Befreie mich
von meinem eigenen Schatten,
mein Gott, von der Verworrenheit
und den Trümmern meines Lebens!

Denn die Nacht ist dunkel,
und dein Pilger ist blind.

Halte du meine Hand:
Erlöse mich von Verzweiflung!
Berühre mit deiner Flamme
die lichtlose Lampe meines Grams!

Wecke meine ermüdeten Kräfte
aus ihrem Schlaf!
Laß mich nicht, meine Verluste zählend,
hinter dem Zuge zurückbleiben!
Laß bei jedem Schritt
die Straße mir singen
von ihrem Ziel, deinem Hause!

Denn die Nacht ist dunkel,
und dein Pilger ist blind.

Halt du meine Hand.
 

Rabindranath Tagore

Mittwoch, 18. Dezember 2013

Auf dem Alto de Perdon




Es herrscht das ganze Leben lang
eine Art Kampf zwischen uns und den Dingen!

Entweder wir gehen in ihnen auf,
oder aber wir absorbieren und assimilieren sie.

Das Feld gehört dem Stärkeren,
das heißt dem Ungeteilteren,
das heißt schließlich dem inniger mit Gott vereinten.

 

Teilhard de Chardin
 

Dienstag, 17. Dezember 2013





Die Seele ist keine Zisterne,
die nachgefüllt werden muß,
sondern eine Quelle,
die wir zum Sprudeln bringen sollen.

 
Johannes Paul I

Montag, 16. Dezember 2013




Glaube in der Praxis
 
Schon eine kleine Tat entgegen der natürlichen Neigung um Gottes Willen vollbracht;
eine Beleidigung zu ertragen,
einer Gefahr ins Auge zu sehen
auf einen Vorteil zu verzichten,
das hat in sich die Kraft,
die als Gegengewicht
gegen den ganzen Haufen Staub und Spreu eines Wortbekenntnisses dient.
 
So kann ein Mensch,
der es mit der praktischen Anwendung des Glaubens ernst nimmt,
eine unermeßliche moralische Kraft und Bedeutung gewinnen.
 
Die Bibel ist über die Welt verbreitet –
aber das inspirierte Wort ist nur ein toter Buchstaben,
wenn es nicht von Geist zu Geist lebendig vermittelt wird.
Die Anziehung, die von unbewußter Heiligkeit ausgeht,
ist von bezwingender, unwiderstehlicher Art.
Sie überzeugt den Schwachen, Furchtsamen, Schwankenden und Suchenden,
sie entlockt Zuneigung und Ergebenheit.
Ein paar begnadete Menschen werden die Welt für die kommenden Jahrhunderte retten.

 

John Henry Newman


Sonntag, 15. Dezember 2013




Wirft dein Nachbar

Dir Steine in den Garten,

bring du ihm Blumen

aus deine Garten

 

Petrus Ceelen
 
 

Samstag, 14. Dezember 2013

Sonnenaufgang in Eunate

Hoffnung ist nichts anderes

als der Glaube an Gottes unendliche Liebe.

Als Hoffende blichen wir Gott ins Herz.

Sich selbst hat Er ja uns geschenkt.

Nicht hoffen bedeutet,

Gottes Güte ins Unrecht setzen.
 
 

Charles de Foucauld

 

Dienstag, 28. Mai 2013




Aber es werden Menschen kommen -
denen das Zeitauf Zeitab der Fabriken gleichgültig ist -
sie wollen nicht auf den Märkten einkaufen –
doch sie fragen nach dem Millionen Jahre alten Wind -

ob ihr noch
Vögel - Fische - Füchse - Sumpfdotterblumen
aufgehoben habt -


 wenn anderswo alle Wälder zerstückelt sind -
alle Städte über die Ränder getreten –
alle Täler überquellen vom Müll -

könnt ihr noch Wetterbuchen liefern?
einen unbegradigten Fluß?
Mulden ohne schwelenden Abfall?
Hänge ohne Betongeschwüre?
Seitentäler ohne Gewinn?

habt ihr noch immer nicht genug Einkaufszentren in Wiesen gestreut -
Möbelmärkte zwischen Skabiosen –
nicht genug Skilifte ohne Schnee -
Nachschubstraßen für Brot und Spiele -
Panzerschneisen hügelentlang? -

Wenn ihr die Schafe aussterben laßt - stirbt der Wacholder - Silberdisteln -
bald wird man diese Namen aussprechen wie Joringel Jorinde als Kind -

Zu den Ammoniten im Steinbruch wird man wie nach Eleusis gehen -
eure Geschichtslosigkeit war ein Windschatten -

Abseits der Erosion des Jahrtausends –
könnt ihr denen - die zu euch kommen -
eine Wacholderstunde anbieten - erdalterlang -
falls ihr den Augenblick
- euren -
nicht zementiert.


Margarete Hannsmann

Montag, 27. Mai 2013





Nichts ändern

Hören Sie ruhig damit -auf, die Wirklichkeit ändern zu wollen. Hören Sie damit auf, andere ändern zu wollen.
Wir verwenden unsere ganze Zeit und Kraft auf den Versuch, äußere Umstände verändern zu wollen; unsere Ehefrauen, Chefs, Freunde, Feinde - eben die anderen - umzukrempeln.
Wir müssen nichts ändern. Die negativen Gefühle gibt es nur in Ihnen.
Niemand auf der Welt hat die Macht, Sie unglücklich zu machen. Es gibt nichts auf der Welt, das die Macht besäße, Ihnen zu schaden oder Sie zu verletzen: kein Ereignis, keine Umstände, keine Situation, auch kein anderer Mensch.
Aber niemand hat es Ihnen gesagt; vielmehr erzählte man Ihnen das Gegenteil. Deswegen haben Sie jetzt diese Probleme; deswegen schlafen Sie. Man hat Sie über diese Selbstverständlichkeit im unklaren gelassen.

Sogar die Sehnsucht nach Freiheit ist eine Fessel.
Niemand ist wirklich frei,
der sich um seine Freiheit sorgt.
Nur die Zufriedenen sind frei.

Anthony de Mello

Freitag, 24. Mai 2013




O großer Geist, dessen Stimme ich in den Winden vernehme
und dessen Atem der ganzen Welt Leben spendet, höre mich.


Ich trete vor dich hin als eines deiner vielen Kinder.
Ich bin klein und schwach. Ich bedarf deiner Kraft und Weisheit.

Laß mich in Schönheit wandeln
und meine Augen immer den roten purpurnen Sonnenuntergang schauen.
Laß meine Hände die Dinge verehren, die du gemacht hast,
und meine Ohren deine Stimme hören.

Schenke mir Weisheit, daß ich die Lehre,
die du in jedem Blatt und jedem Felsen verborgen hast,
erkennen möge.



Gebet der Sioux, nach Jörg Zink

Donnerstag, 23. Mai 2013




Trugbilder

Was ist die Ursache des Bösen?"

„Unwissenheit", sagte der Meister.

„Und wie wird sie beseitigt?"

„Nicht durch Anstrengung, sondern durch Licht;
durch Verstehen, nicht durch Handeln."

Und nach einer Weile fügte der Meister hinzu:
„Das Zeichen des Erleuchtetseins ist Friede -
du hörst auf zu fliehen,
sobald du erkennst, dass du nur von den Trugbildern verfolgt wirst,
die deine Ängste erfunden haben."
 
Anthony de Mello

Mittwoch, 22. Mai 2013





Nur für heute
werde ich ein genaues Programm aufstellen.
Vielleicht halte ich mich
nicht genau daran,
aber ich werde es aufsetzen -
und ich werde mich
vor zwei Übeln hüten:
der Hetze und der Unentschlossenheit.

Johannes XXIII

Dienstag, 21. Mai 2013



Das sichere Fundament

"Ich sehne mich nach einem festen Grund, einem sicheren Fundament für mein Leben."

„Sieh es doch so an", sagte der Meister. „Was ist der feste Grund für den Zugvogel, der Kontinente überquert? Was ist das sichere Fundament für den Fisch, der vom Fluss in das Meer getragen wird?"

Anthony de Mello

Samstag, 18. Mai 2013





Der erste,
der uns jenseits der chinesischen Mauer begegnete,
war ein kleines Männlein aus braunem Sandstein.

Mit verflochtenen Beinen hockte es da,
lächelte mit beinah geschlossenen Lidern,
und obschon ich nicht allzu genau weiß,
worin ein Heiliger besteht,
sagte ich sofort zu Bin:

„Sieh da! Ein Heiliger."

Bin nickte.

Er nahm es platterdings an,
man wüßte, was ein Heiliger ist,
und nickte, wie wenn man sagen würde:
Sieh da, ein Regenbogen!

„Wenn sie so dasitzen", fragte ich Bin,
„was machen sie eigentlich?"
(Oh, diese westliche Frage!)

Bin sagte:

„Sie sitzen so da -
zum Beispiel,
wenn die Sonne untergeht
über den violetten Hügeln der Wüste
,
und schauen die Sonne, nichts weiter.

Sie schauen.
Sie denken nichts anderes als eben die Sonne,
so sehr, so innig, so ganz und gar,
daß sie die Sonne noch immer und immer sehen,
wenn jene, die wir die wirkliche nennen,
lange schon untergegangen ist.

Sie sitzen so da:
sie können sie jederzeit wieder aufgehen lassen."


Max Frisch

Freitag, 17. Mai 2013





Nur für heute
werde ich keine Angst haben.
Ganz besonders
werde ich keine Angst haben,
mich an allem zu freuen,
was schön ist -
und ich werde an die Güte glauben.

Johannes XXIII

Mittwoch, 15. Mai 2013





Die letzten Paradiese
werden angepriesen und angeflogen.
In Nordsibirien Wasser, das noch nicht gechlort ist,
auf Bali eine Palme, die nicht im Kübel steht,
im Ruhrgebiet verkauft man Stille und Luft,
nicht in Höchst hergestellt,
bei Assisi gibt's eine kleine Kapelle,
im Main soll man bei Hanau einen Fisch gesehen haben,
die Leute werden immer anspruchsvoller,
jetzt wollen sie sogar Brot essen.

Lothar Zenetti

Dienstag, 14. Mai 2013








Nur für heute

werde ich fest glauben -
selbst wenn die Umstände
das Gegenteil zeigen sollten - ,
dass die gütige Vorsehung Gottes
sich um mich kümmert,
als gäbe es sonst
niemanden auf der Welt.

Johannes XXIII

Montag, 13. Mai 2013





Schon wieder Käsebrote!
Nicht-Erleuchtete erkennen nicht, dass sie selbst die Ursache all ihrer Sorgen sind.

In der Fabrik war Mittagspause, und ein Arbeiter öffnete trübselig sein Lunchpaket. „Ach nein", sagte er laut, „schon wieder Käsebrote."

So ging es zwei-, drei-, viermal hintereinander. Dann sagte ein Kollege, der das Gebrumme des Mannes gehört hatte: „Wenn du Käsebrote so sehr hasst, warum sagst du dann nicht deiner Frau, sie solle dir andere Schnitten machen?"

„Weil ich nicht verheiratet bin. Ich mache mir diese Brote selbst."
 
Anthony de Mello

Freitag, 10. Mai 2013




Befragt über sein Verhältnis zur Natur, sagte Herr K.:

„ich würde gern mitunter aus dem Haus tretend ein paar Bäume sehen.
Besonders da sie durch ihr der Tages- und Jahreszeit entsprechendes Andersaussehen
einen so besonderen Grad von Realität erreichen.

Auch verwirrt es uns in den Städten mit der Zeit,
immer nur Gebrauchsgegenstände zu sehen,
Häuser und Bahnen, die unbewohnt leer, unbenutzt sinnlos wären.

Unsere eigentümliche Gesellschaftsordnung läßt uns ja auch die Menschen
zu solchen Gebrauchsgegenständen zählen,
und da haben Bäume wenigstens für mich, der ich kein Schreiner bin,
etwas beruhigend Selbständiges, von mir Absehendes,
und ich hoffe sogar, sie haben selbst für die Schreiner
einiges an sich, was nicht verwertet werden kann."

 Bertolt Brecht

Donnerstag, 9. Mai 2013




Diogenes
Der Philosoph Diogenes aß zum Abendbrot Linsen. Das sah der Philosoph Aristippos, der ein angenehmes Leben führte, indem er dem König schmeichelte.

Sagte Aristippos: „Wenn du lerntest, dem König gegenüber unterwürfig zu sein, müsstest du nicht von solchem Abfall wie Linsen leben."

Sagte Diogenes: „Wenn du gelernt hättest, mit Linsen auszukommen, brauchtest du nicht dem König zu schmeicheln."
 

Mittwoch, 8. Mai 2013





Der Arzt weiß es besser

Der Arzt beugte sich über die leblose Gestalt im Bett. Dann richtete er sich auf und sagte: „Es tut mir leid, aber ich muss Ihnen sagen, Ihr Mann lebt nicht mehr, meine Liebe."

Von der leblosen Gestalt im Bett kam ein schwacher Protest: „Doch, ich lebe noch."

„Halt den Mund", sagte die Frau, „der Arzt weiß das besser als du."
 
Anthony de Mello

Dienstag, 7. Mai 2013




Nur für heute
werde ich etwas tun,
für das ich keine Lust habe zu tun:
sollte ich mich in meinen Gedanken beleidigt fühlen,
werde ich dafür sorgen,
dass es niemand merkt.

Johannes XXIII

Samstag, 4. Mai 2013




Wir Steine
wenn einer uns hebt
hebt er Urzeiten empor-

wenn einer uns hebt
hebt er den Garten Eden empor-

wenn einer uns hebt
hebt er Adams und Evas Erkenntnis empor
und der Schlange staubessende Verführung.

Wenn einer uns hebt
hebt er Billionen Erinnerungen in seiner Hand
die sich nicht auflösen im Blute
wie der Abend. 

Denn Gedenksteine sind wir
alles Sterben umfassend. 

Wenn einer uns wirft -
wirft er den Garten Eden -
den Wein der Sterne -
die Augen der Liebenden und allen Verrat-

Wenn einer uns wirft im Zorne
so wirft er Äonen gebrochener Herzen
und seidener Schmetterlinge. 

Hütet euch, hütet euch
zu werfen im Zorn mit einem Stein -
unser Gemisch ist ein vom Odem Durchblasenes.

Es erstarrte im Geheimnis
aber kann erwachen an einem Kuß.

Nelly Sachs