Dienstag, 22. März 2022

Befiehl du deine Wege - Paul Gerhardt

 




               Befiehl du deine Wege

               Befiehl du deine Wege
               und was dein Herze kränkt der allertreusten Pflege
               des, der den Himmel lenkt.
               Der Wolken, Luft und Winden
               gibt Wege, Lauf und Bahn,
               der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.

Befiehl dem Herrn deine Wege,
vertraue ihm, er wird handeln­.

               Dem Herren musst du trauen,
               wenn dir’s soll wohlergehn;
               auf sein Werk musst du schau’n,
               wenn dein Werk soll bestehn.
               Mit Sorgen und mit Grämen und mit selbst eigner Pein
               lässt Gott sich, garnichts nehmen,
               es muss erbeten sein.

               Auf, auf, gib deinem Schmerze
               und Sorgen gute Nacht,
               lass fahren, was dein Herze
               betrübt und traurig macht;
               bist du doch nicht Regente,
               der alles führen soll,
               Gott sitzt im Regimente
               und führet alles wohl.

               Paul Gerhardt 





Montag, 21. März 2022

werden wir es wagen - Josef Osterwalder

 






            Werden wir es wagen?

            Werden wir je den Schritt wagen
            in das, was wir nicht kennen,
            ins Licht?

            Hinein in den Ostertag?
            In die Freude?
            In die Farben?
            In die Freiheit?
            In ein Leben,
            das keinen Zwängen,
            sondern
            allein der Liebe gehorcht?


            Wir sind an den Rand des Tunnels
            gelangt,
            zögern, schauen zurück:
            die vertrauten Zwänge,
            das bekannte Grab.


            Und vor uns ?
            Ein Gott voller Überraschungen,
            der alles neu macht,
            der atemberaubendes Leben verspricht,
            Auf er stehung !!!
            Werden wir es wagen?

            Josef Osterwalder



Samstag, 19. März 2022

mit offnen Augen - Antoinette Schneider

 



            Die Augen öffnen -
         und danken

         Im Alltag sind wir uns so wenig bewußt,
         daß der Mensch unendlich viel empfangen darf, 
         viel mehr, als er selbst gibt.

         Wie kann sich das Herz erfreuen
         an einem schönen Sonnenaufgang und
         an der Wärme, die die Sonne ausstrahlt,
         an bunten Blumen, reifen Ährenfeldern,
         an Bäumen, voll mit Früchten behangen,
         an Gärten, reich an feinem Gemüse ...

         Gott schenkt uns eine Fülle
         von Formen und Farben.

         Jeden Tag fließt uns diese Fülle
         wie von selber zu.
         Danken wir genug dafür?

         Wer mit offnen Augen durch die Schöpfung geht, 
         kann nur staunen und danken.


         Antoinette Schneider





Freitag, 18. März 2022

von Zeit zu Zeit inne halten - Eileen Caddy

 





                              Es ist wichtig,

                              von Zeit zu Zeit innezuhalten,
                              zu sich selbst zu kommen
                              und nur zu sein.
                              Glaube nicht,
                              daß Du immer irgend etwas tun mußt,
                              weil Du sonst Zeit verschwendest.
 
                              Es ist wichtig,
                              daß Du Deinen eigenen Rhythmus findest,
                              und niemals versuchst,
                              mit dem Rhythmus anderer mitzuhalten.
 
                              Dies ist, warum so vieles falsch läuft:
                              Jeder versucht, mit jedem Anderen
                              Schritt zu halten,
                              und das Tempo wird schneller und schneller
                              und das Leben unerträglich.
                              Und fällt es langsamer aus,
                              so macht das auch nicht ein Jota.


                                                      Eileen Caddy






Donnerstag, 17. März 2022

Gebäude einer Wissenschaft - Peter Horton

 





Innerhalb des Gebäudes
einer Wissenschaft
schwört man leicht,
festen Boden unter den
Füßen zu haben.

Man vergißt, daß das ganze Gebäude
auf ein paar unbeweisbaren
Schwimmern, den Axiomen, ruht.

Axiome sind die von der Intuition
aufgespürten unsichtbaren Trittplatten
unter der Wasseroberfläche
des Wissens,
die ein unbescheidener Intelekt
zu dem Wahn mißbraucht,
er könne über's Wasser gehen
 
Peter Horton

Mittwoch, 16. März 2022

Die Biegung des Weges

 


                        Die Biegung des Weges

                 Mögest du ohne Vorurteile unterwegs sein:
                 weder gegenüber deinen Mitpilgern
             aus fremden Ländern
             noch gegenüber einfachen Leuten
             aus den Dörfern
             noch gegenüber den religiösen Wurzeln
             der Pilgerschaft.

             Sei vor allen Dingen bescheiden, frei.
             Vergiß nicht, daß du an irgendeiner
             der vielen Biegungen des Weges
             Gott begegnen kannst.

             nach einem spirituellen Pilgerführer
             der Erzdiözese Santiago de Compostela


Dienstag, 15. März 2022

Lotterie des Lebens - Anthony de Mello

 



Ein frommer und religiöser Mann hatte schwere Zeiten durchzumachen.
Er versuchte es nun mit folgendem Gebet:
„Herr, erinnere dich an all die Jahre, in denen ich dir diente,
so gut ich konnte und nichts dafür verlangte.
Nun, da ich alt und bankrott bin,
möchte ich dich zum ersten Mal in meinem Leben um eine Gunst bitten,
und ich bin sicher, du wirst sie nicht abschlagen: lass mich in der Lotterie gewinnen."




Tage vergingen,







dann Wochen




und Monate.







Nichts geschah.















Schließlich rief
er eines Nachts voller Verzweiflung:
„Warum gibst du mir keine Chance, Gott?"




















Plötzlich hörte er die Stimme Gottes:










„Gib mir auch eine Chance!




















Warum kaufst du dir kein Los?"


Anthony de Mello





Montag, 14. März 2022

Man schämt sich jetzt schon - Friedrich Nietzsche

 





Man schämt sich jetzt schon der Ruhe;
das lange Nachsinnen macht beinahe Gewissensbisse.
Man denkt mit der Uhr in der Hand,
wie man zu Mittag ißt,
das Auge auf das Börsenblatt gerichtet -
man lebt wie einer,
der fortwährend etwas „versäumen könnte".

„Lieber irgend etwas tun als nichts" -
auch dieser Grundsatz ist eine Schnur,
um aller Bildung und allem höheren Geschmack
den Garaus zu machen.

Und so wie sichtlich alle Formen
an dieser Hast der Arbeitenden zugrunde gehen,
so geht auch das Gefühl für die Form selber,
das Ohr und Auge
für die Melodie der Bewegungen zugrunde.

Der Beweis dafür liegt in der jetzt überall geforderten
plumpen Deutlichkeit in allen den Lagen,
wo der Mensch einmal redlich mit Menschen sein will,
im Verkehr mit Freunden, Frauen, Verwandten, Kindern,
Lehrern, Schülern, Führern -

man hat keine Zeit und keine Kraft mehr für die Zeremonien,
für die Verbindlichkeit mit Umwegen,
für allen Esprit der Unterhaltung
und überhaupt für alles Beschauliche.

Friedrich Nietzsche




Sonntag, 13. März 2022

Alles, was dein Herz begehrt

 



Eine Frau träumte, sie beträte einen ganz neuen Laden am Markt,
und zu ihrem Erstaunen stand Gott hinter dem Ladentisch.

„Was verkaufst du hier?" fragte sie.

„Alles, was dein Herz begehrt“, sagte Gott.

Die Frau wagte kaum zu glauben, was sie hörte,
beschloss aber das Beste zu verlangen, was ein Mensch sich nur wünschen konnte.
„Ich möchte Frieden für meine Seele und Liebe und Glück,
und weise möchte ich sein und nie mehr Angst haben", sagte sie.

Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: „Nicht nur für mich allein,
sondern für alle Menschen auf der Erde."

Gott lächelte: „Ich glaube, du hast mich falsch verstanden,
meine Liebe", sagte er,
„wir verkaufen hier keine Früchte, nur die Samen."


unbekannter Autor 

Samstag, 12. März 2022

Steine - Karl Michael Ranftl

 


Steine

Aus Ozeanriff und Felsengebirge
zerteilt und zertrümmert
Brandung und Wetter
knackend, krachend und knirschend
gespaltenes Steinzeug.
Geschürf, Gebröckel, Geschiebe,
Geröll der Gezeiten,
geschlagen, gerieben, geschliffen,
wird Hügel zu ebenem Land.
Wer räumt diesen Raum,
wer träumt diesen Traum
der Geschichte,
verwandelt Kiesel zu Riesel
und Körner zu Sand?

Es ist wohl die Hand des Einen -
sie spielt mit den Steinen ...

 

Karl Michael Ranftl

 


Freitag, 11. März 2022

Beitrag zum Leben - Ulrich Schaffer

 




Unser eigentlicher Beitrag zum Leben ist
dass wir uns treu bleiben
und nicht die Wertmaßstäbe der anderen leben.

Ulrich Schaffer






Donnerstag, 10. März 2022

vorsichtig hin hören - Ulrich Schaffer

 



                Man müßte so still halten können,
                so vorsichtig hinhören und so aufmerksam betrachten,
                daß sich die ganze Welt auftut
                und man alles an ihr von innen versteht,
                über alle Worte hinaus.


                      Ulrich Schaffer









Mittwoch, 9. März 2022

Ich werde dich niemals lieben - Philipp Neri

 




                         Ich werde dich niemals lieben,
                   wenn du mir nicht hilfst, mein Jesus.
                   Zerschneide meine Fesseln,
                   wenn du mich haben willst, mein Jesus.
                   Jesus, sei mein Jesu!

                                    Philipp Neri





Dienstag, 8. März 2022

Die Liebe trägt das Böse nicht nach - Anthony de Mello

 




DIE LIEBE TRÄGT DAS BÖSE NICHT NACH

Eine Frau dachte, sie habe Gottesvisionen, und ging zum Bischof, um sich Rat zu holen. 
Der Bischof legte ihr nahe: „Sie mögen an Visionen glauben. Verstehen Sie jedoch, dass ich als Bischof der Diözese darüber entscheiden kann, ob Ihre Visionen echt oder falsch sind."
„Durchaus, Exzellenz."
„Es gehört zu meinem Verantwortungsbereich, es ist meine Pflicht. Sie werden also tun, was ich von Ihnen verlange."
„Das werde ich, Exzellenz."
„Also hören Sie gut zu: wenn Ihnen Gott das nächste Mal erscheint, so wie er Ihnen normalerweise erscheint, werden Sie einen Test machen, durch den ich erfahren werde, ob es wirklich Gott ist."
„Einverstanden, Exzellenz. Aber wie geht der Test?"
„Sagen Sie Gott: ,Bitte enthülle mir die persönlichen, die privaten Sünden des Bischofs.'
Wenn es wirklich Gott ist, der Ihnen da erscheint, wird er Ihnen meine Sünden sagen. Danach kommen Sie wieder und erzählen mir alles - aber: sonst niemandem! In Ordnung?"
„Das werde ich tun, Exzellenz."
Einen Monat später bat die Frau erneut um einen Termin beim Bischof, der sie fragte: „Und, ist Gott Ihnen noch einmal erschienen?"
„Ich glaube schon, Exzellenz."
„Und Sie stellen ihm die Frage, wie ich es verlangt habe?"
„Sicher, Exzellenz."
„Was hat Gott gesagt?"
„Gott sagte mir: ,Sag dem Bischof, dass ich alle seine Sünden vergessen habe!'"

Wie finden Sie das? Es gibt kein Buch, in dem die Sünden vermerkt werden. Und wissen Sie, Gott führt kein Sündenregister, keine Liste.
Er sieht uns in diesem gegenwärtigen Augenblick und schenkt uns seine bedingungslose Liebe.



Anthony de Mello




Montag, 7. März 2022

Kyrios, Christus, Allherrscher Gott - Silja Walter

 




Kyrios, Christus, Allherrscher Gott,

Ich bete dich an
mit allem,
was lebt und ist.

Durch dich, aus dir und auf dich hin
ist alles gemacht und
lebt nun unendlich aus dir und
auf dich hin,
auch ich.


Laß mich fortan
als ein in dir auferstandener Mensch
mit offenen Augen
meinen blinden Glauben
durchschauen
und wissen,
durch dein heiliges Kreuz
hast du mich,
hast du die Meinen,
hast du die ganze Welt
in die Freiheit Gottes hinein
befreit.

Nun lebe ich nicht mehr
für mich,
mit allem, was ist,
bin ich zum Lob deiner Herrlichkeit da,
von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen


Silja Walter




Sonntag, 6. März 2022

warten, bis die Seele nach kommen kann

 



Zu einer Zeit, als in Afrika das Reisen noch sehr beschwerlich war, kämpfte sich ein Forscher mit seinen Trägern durch dichtes Buschland. 

Weil er nach drei Tagen sein Ziel erreichen wollte, trieb er sie immer wieder zur Eile an. 
Zunächst ließen sie sich sein Drängen gefallen, dann aber setzten sie sich und blieben sitzen.
Die Sonne brannte heiß, die Luft flimmerte, nur ein paar Vögel sangen in die Stille hinein.
Der Forscher bat die Männer weiterzugehen, er drohte ihnen, er lockte sie. 
Nichts half Sie blieben sitzen.

Endlich kam ihm die Idee, zu fragen: „ Warum verweigert ihr die Arbeit? Warum geht ihr nicht weiter? "

Und da sagte einer der Träger den Satz, den der Forscher wohl nicht mehr vergessen konnte: 

„ Wir müssen warten, bis unsere Seele nachgekommen ist."





Samstag, 5. März 2022

Windgeschenke - Hilde Domin

 



Windgeschenke

 

Die Luft ein Archipel

von Dunftinseln

Schwaden von Lindenblüten

und sonnigem Heu,

süß vertraut,

stehen und warten auf mich

als umhüllten mich Tücher,

von lange her

aus sanftem Zuhaus

von der Mutter gewoben.

 

Ich bin wie im Traum

und kann den Windgeschenken

kaum glauben.

Wolken von Zärtlichkeit

fangen mich ein,

und das Glück beißt

seinen kleinen Zahn

in mein Herz

 

Hilde Domin




Freitag, 4. März 2022

Ja sagen zum Leben - Dag Hammarskjöld

 




                Ja sagen zum Leben,

                heißt auch

                Ja sagen zu sich selbst.


                Ja - auch zu der Eigenschaft,

                die sich am widerwilligsten

                umwandeln läßt -


                von Versuchung zu Kraft.


             Dag Hammarskjöld


Donnerstag, 3. März 2022

Wer vertraut

 



Wer vertraut …

Wer einen Weg geht, den er nie begangen,

der ihn hinweg führt aus gewohntem Raum,

wer sich ganz einlässt auf ein solches Unterfangen,

der vertraut.

Wer lange pilgert, wird sich manchmal fragen,

ob er ans Ziel kommt, und ist nie gewiß.

Wer vorwärts schreitet ohne Furcht und ohne Zagen,

der vertraut.

 

Balthasar


Mittwoch, 2. März 2022

Man muß wie Pilger wandeln - Gerhard Tersteegen

 





Man muß wie Pilger wandeln,

frei bloß und wahrlich leer,

viel sammeln, halten, handeln,

macht unseren Gang nur schwer.

Wer will, der trag sich tot;

Wir reisen abgeschieden,

mit wenigem zufrieden;

wir brauchen’s nur zur Not.

 

Gerhard Tersteegen


Dienstag, 1. März 2022

Die Gute Nachricht - Anthony de Mello

 



DIE GUTE NACHRICHT

Ich stelle mir vor, ich hätte nur noch ein paar Tage zu le­ben. ..
Ich darf mir einen oder zwei Menschen wählen, mit denen ich diese letzten Tage verbringe.
Ich treffe die schwie­rige Wahl... dann spreche ich mit diesem Menschen und erkläre ihm, warum ich ihn gewählt habe. . .
Zum letzten Male habe ich Gelegenheit, auf Menschen zuzugehen, die mir unsympathisch oder gleichgültig waren. Wenn ich das fertig bringe: was sage ich einem jeden jetzt, da ich fühle, dass ich an der Schwelle der Ewigkeit stehe? ..,

Eines Tages bin ich allein in meinem Zimmer und denke an all das in meinem Leben, wofür ich besonders dankbar bin . . . und worauf ich stolz bin. . . Dann wende ich mich den Dingen zu, die ich bereue und am liebsten ungeschehen machte. .. besonders meine Sünden. . .

Während ich mich damit befasse, kommt Jesus herein.
Seine Nähe bringt mir selige Freude und Frieden... Ich er­zähle ihm einiges aus meinem Leben, was mir Leid tut. . .
Er unterbricht mich mit den Worten: "All das ist vergeben und vergessen. Weißt du nicht, dass die Liebe das Böse nicht nachträgt?" (1 Kor 13,5).
Dann fährt er fort: "Deine Sünden sind tatsächlich nicht nur vergeben, sie sind sogar in Gnade verwandelt worden. Hast du denn nie gehört, dass da, wo die Sünde groß, die Gnade übergroß ist?" (Röm 5,21).
Das klingt für mein armes, furchtsames Herz zu wunder­bar, um wahr zu sein. Da höre ich ihn sagen: "Ich bin so zufrieden mit dir, ich bin dir so dankbar. . ." Ich fange an zu protestieren, dass in meinem Leben nichts ist, was ihn so zufrieden und dankbar machen könnte. Er sagt: "Du wärest sicher einem Menschen, der für dich nur ein wenig von dem getan hätte, was du für mich getan hast, unaussprechlich dankbar. Meinst du, ich hätte weniger Herz als du?"

So lehne ich mich zurück und lasse mich von seinen Wor­ten treffen...
und mein Herz jubelt vor Freude, dass ich einen solchen Gott habe!


Anthony de Mello