Donnerstag, 31. Dezember 2020

Nie am Ziel - Dag Hammarskjöld

 

Chartres - Illumination der Kathedrale


                                 Nie am Ziel - 
                         größere Aufgaben 
                         gleichen nur einer höheren Klasse 
                         in jener Schule,
                         in der du dich einer Prüfung näherst,
                         die niemand kennen soll, 
                         damit du darin ganz einsam bist.

                         Dag Hammarskjöld





Mittwoch, 30. Dezember 2020

Dienstag, 29. Dezember 2020

Fort Schritt - Anthony de Mello

 

Münster - Rathaus


Fort Schritt


Der Meister klagte über die Übel des Konkurrenzkampfes.

„Holen Wettbewerb und Konkurrenzkampf nicht das Beste aus uns heraus?" fragte jemand.

„Sie holen das Schlimmste heraus, denn sie lehren dich das Hassen."

„Was hassen?"

Dich selbst
denn du lässt zu, dass deine Aktivität von deinem Konkurrenten bestimmt wird und nicht von deinen Erfordernissen und Grenzen.
Andere
denn du versuchst, auf ihre Kosten vorwärtszukommen."

„Das hieße dann aber, alle Veränderung und allen Fortschritt zu Grabe zu tragen", erhob einer Widerspruch.

Sagte der Meister: „Der einzige Fortschritt, den es gibt, ist der Fortschritt der Liebe. 
Die einzige Veränderung, die wert ist, erstrebt zu werden, ist die Veränderung des Herzens."


Anthony de Mello 


Montag, 28. Dezember 2020

Auf Gott vertrauen - Thomas Morus

 

Münster - Lamberti Kirche




                        Ich bin mir zwar bewußt,
                        daß mein bisheriges Leben reichlich schlecht war und
                        daß ich vollauf verdient hätte,
                        von Gott verlassen zu werden.
                        Dennoch werde ich nicht aufhören,
                        stets auf seine grenzenlose Güte zu vertrauen
                        und bester Hoffnung zu sein.

                        Thomas Morus








Sonntag, 27. Dezember 2020

Einklang - Anthony de Mello

 

Lourdes - Basilika




Einklang

Als ein Mann, dessen Ehe nicht gut ging, seinen Rat suchte, sagte der Meister:
„Du musst lernen, deiner Frau zuzuhören."
Der Mann nahm sich diesen Rat zu Herzen
und kam nach einem Monat zurück und sagte,
er habe gelernt, auf jedes Wort, das seine Frau sprach, zu hören.
Sagte der Meister mit einem Lächeln: „Nun geh nach Hause
und höre auf jedes Wort, das sie nicht sagt."

 Anthony de Mello




Samstag, 26. Dezember 2020

Zeit haben - Niklaus Brantschen

 

Lourdes - Basilika



Zeit haben

Sind Ihnen nicht auch Menschen bekannt,
die immer Zeit haben?
Sie sind ruhig und gelassen,
sie haben oft viel zu tun
und leisten nicht wenig.
Dabei kann es vorkommen,
daß sie mit jenem weisen Mann sagen:
"Ich habe so viel zu tun,
ich gehe schlafen."
Ja, sie nehmen sich Zeit zum Schlafen,
aber nicht nur zum Schlafen.
Sie nehmen sich immer wieder ausdrücklich Zeit zum Innehalten, zur Besinnung.

Von Martin Luther stammt der Ausspruch:
"Ich habe heute viel zu tun,
darum muß ich heute viel beten."
Ein paar Tage vielleicht im Monat,
ein paar Stunden in der Woche,
ein paar Minuten jeden Tag.
Und in diesen Stunden und Minuten stellen sie sich gleichsam außerhalb der Zeit,
sie stehen über der Zeit
und über ihrer Arbeit,
sie erhalten Distanz.
Sie haben immer Zeit,
weil sie sich gelegentlich Zeit nehmen.

Sie haben Zeit, nicht die Zeit hat sie.


Niklaus Brantschen




Freitag, 25. Dezember 2020

Von guten Mächten wunderbar geborgen (2) - Dietrich Bonhoeffer

 

Straßburg -Thomaskirche 






                               Von guten Mächten wunderbar geborgen,
                               erwarten wir getrost, was kommen mag.
                               Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
                               und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
                               Laß warm und still die Kerzen heute flammen,
                               die du in unsere Dunkelheit gebracht.
                               Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
                               Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.

                               Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
                               so laß uns hören jenen vollen Klang der Welt,
                               die unsichtbar sich um uns weitet,
                               all Deiner Kinder hohen Lobgesang.

                               Von guten Mächten treu und still umgeben,
                               behütet und getröstet wunderbar.
                               So will ich diese Tage mit euch leben
                               und mit euch gehen in ein neues Jahr.

                                           Dietrich Bonhoeffer 





Donnerstag, 24. Dezember 2020

Von guten Mächten wunderbar geborgen (1) - Dietrich Bonhoeffer

 

Straßburg - Liebfrauenmünster - Engelstatue Gerichtssäule





                               Von guten Mächten wunderbar geborgen,
                               erwarten wir getrost, was kommen mag.
                               Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
                               und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
                               Noch will das Alte unsere Herzen quälen,
                               noch drückt uns böser Tage schwere Last.
                               Ach, Herr, gib unseren aufgescheuchten Seelen
                               das Heil, für das du uns bereitet hast.

                               Und reichst du uns den schweren Kelch,
                               den bittren des Leids, 
                               des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
                               so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
                               aus deiner guten und geliebten Hand.

                               Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
                               an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
                               dann woll'n wir des Vergangenen gedenken
                               und dann gehört dir unser Leben ganz.

                             Dietrich Bonhoeffer






Mittwoch, 23. Dezember 2020

Am Rand des Lebens - Ulrich Schaffer

 

Lübeck - Marienkirche Rathaus



Es ist gut am Rand zu leben
schon der gedachte Tod macht
Aufmerksam

Ulrich Schaffer





Dienstag, 22. Dezember 2020

Kinder der Zukunft - Alice Miller

 

Lübeck - MarienKirche




Ich stelle mir vor,
dass wir unsere Kinder eines Tages
nicht mehr als manipulierbare Kreaturen
ansehen werden,
sondern als Boten aus einer Welt,
die uns einmal sehr vertraut war,
die wir aber längst vergessen haben,
und die uns mehr über die wahren Geheimnisse

des Lebens lehren können,
als unsere Eltern jemals konnten.

ALICE MILLER

Montag, 21. Dezember 2020

Gehe ruhig und gelassen

 

Lübeck - Heilig Geist Hospital



Gehe ruhig und gelassen
durch Lärm und Hast
und
sei des Friedens eingedenk,
den die Stille bergen kann.


Desiderata

Sonntag, 20. Dezember 2020

Samen

 

Lübeck - JakobiKirche Pilgerherberge




Eine Frau träumte, sie beträte einen ganz neuen Laden am Markt,
und zu ihrem Erstaunen stand Gott hinter dem Ladentisch.

„Was verkaufst du hier?" fragte sie.

„Alles, was dein Herz begehrt“, sagte Gott.

Die Frau wagte kaum zu glauben, was sie hörte,
beschloss aber das Beste zu verlangen, was ein Mensch sich nur wünschen konnte.
„Ich möchte Frieden für meine Seele und Liebe und Glück,
und weise möchte ich sein und nie mehr Angst haben", sagte sie.

Nach kurzem Nachdenken fügte sie hinzu: „Nicht nur für mich allein,
sondern für alle Menschen auf der Erde."

Gott lächelte: „Ich glaube, du hast mich falsch verstanden,
meine Liebe", sagte er,
„wir verkaufen hier keine Früchte, nur die Samen."


unbekannter Autor 



Samstag, 19. Dezember 2020

Der springende Punkt - Anthony de Mello

 




Der springende Punkt

Der springende Punkt ist, dass Sie weder okay noch nicht okay sind. 

Sie können höchstens der momentanen Stimmung, dem Trend oder der Mode entsprechen. 
Heißt das nun, dass Sie okay geworden sind? 
Hängt Ihr Okay-Sein davon ab? 
Hängt es davon ab, wie man über Sie denkt? 

Jesus Christus muss demnach überhaupt nicht okay gewesen sein. 

Sie sind nicht ,okay', und Sie sind nicht, nicht okay', 
Sie sind Sie selbst! 

Ich hoffe, dass dies eine wichtige Entdeckung für Sie wird, zumindest für einige von Ihnen. 
Vergessen Sie das ganze Gerede von okay und nicht okay. 
Vergessen Sie alle Urteile, und beobachten Sie einfach, schauen Sie zu. 

Sie werden wichtige Entdeckungen machen, die Sie verändern werden. 
Sie werden sich nicht im geringsten anstrengen müssen, glauben Sie mir.

Anthony de Mello





Freitag, 18. Dezember 2020

Abgrund - Dag Hammarskjöld

 





                      Nichts war leichter, 
                als von einer Leiter zur andern 
                hinüberzuwechseln - 

über dem Abgrund.


                Aber im Traum misslang 
                es dir, 
                weil du 
                des Absturzes 
                Möglichkeit durchlebtest.

                Dag Hammarskjöld
                UN-Generalsekretär (1953-61)

Donnerstag, 17. Dezember 2020

Menschlicher Fortschritt - Anthony de Mello

 

Grevesmühlen - Amtsgericht Fahrrad




MENSCHLICHER FORTSCHRITT

Der Meister begrüßte die technologischen Fortschritte, war sich aber durchaus ihrer Grenzen bewusst.

Als ihn ein Industrieller fragte, was er arbeite, antwortete er: „Ich bin in der Menschen-Industrie tätig." 
„Und was bitte ist das?" fragte der Industrielle. 
„Nehmt Euch selbst", sagte der Meister. „Ihr bemüht Euch um die Herstellung besserer Dinge, ich bemühe mich, bessere Menschen hervorzubringen."

Zu seinen Schülern sagte er später: „Ziel des Lebens ist es, Menschen zum Erblühen zu bringen. Heute scheint man mehr damit beschäftigt, Sachen zu perfektionieren."


Anthony de Mello





Mittwoch, 16. Dezember 2020

Dinge besitzen - Anthony de Mello

 

Wismar - Marienkirche Turm



                            Versucht nicht, 
                     Dinge zu besitzen,
                     denn sie können nie wirklich besessen werden. 

                     Achtet nur darauf,
                     nicht von ihnen in Besitz genommen zu werden,
                     dann seid ihr Herr der Schöpfung.



                     Anthony de Mello





Dienstag, 15. Dezember 2020

Also, die Dinge sind tot (3) - Erhart Kästner

 

Wismar - Marktplatz Kanonen




Also, die Dinge sind tot. (3)

Aber zur Zeit dieser Meldung werden nicht mehr viele verstehen,
was gemeint ist.
Nur sehr alte Leute werden sich erinnern,
in ihren jungen Tagen davon gehört oder gelesen zu haben:
irgendwann einmal, vor Zeiten, lustige Vorstellung,
sollten die Dinge, 
der Mond und der Bach und die Tanne,
die Stadt und die Bucht und das Kornfeld 
gelebt haben.


Erhart Kästner

Montag, 14. Dezember 2020

Also, die Dinge sind tot (2) - Erhart Kästner

 

Wismar - NikolaiKirche



Also, die Dinge sind tot. (2)

Zwar gibt es noch viele,
die den Tod der Dinge nicht wahrhaben wollen.

Sie ertragen die Nachricht nicht.
Sie gleichen den Müttern,
die ein Jahrzehnt die Nachricht verweigerten,
ihre Söhne seien auf den Schneefeldern zugeweht worden und sagten
Ich weiß es, er lebt noch.

Eines Tages aber werden es alle einsehen und sich gestehen müssen,

daß die Dinge tot sind.

Dann wird in den Zeitungen stehen:
Wie jetzt erst bekannt wird, sind die Dinge verstorben.

Wir werden darauf noch zurückkommen.  

Erhart Kästner



Sonntag, 13. Dezember 2020

Also, die Dinge sind tot (1) - Erhart Kästner

 

Wismar - GeorgenKirche 


Also, die Dinge sind tot (1)

Nicht Gott ist tot, aber die Dinge;
es war ein Nachrichten-Versehen, ein Übermittlungs-Fehler,
eine Falschmeldung.

Die Dinge sind tot,
und wir (das war richtig) wir waren es,
die sie erforschten, erwürgten, umbrachten.

Von jeher hatten die Dinge von der Mühe gelebt,
die man sich um sie machte.

Schwer begreiflich; aber um Mühe gaben sie Leben.

Man wollte sie mühelos, man wollte sie hergestellt haben.
Das gelang auch.

Aber
um den Preis ihres Lebens.



Erhart Kästner

Samstag, 12. Dezember 2020

Aufwachen - Anthony de Mello

 

Lübeck - Holstentor



Aufwachen!

Die meisten Leute schlafen, ohne es zu wissen.
Sie wurden schlafend geboren, sie leben schlafend, s
ie heiraten im Schlaf, erziehen im Schlaf ihre Kinder und sterben im Schlaf, 
ohne jemals wach geworden zu sein. 
Niemals verstehen sie den Reiz und die Schönheit dessen, 
was wir „menschliches Leben" nennen.

Bekanntlich sind sich alle Mystiker
 - ob christlich oder nichtchristlich und egal, 
 welcher theologischen Richtung oder Religion sie angehören - 
in diesem einen Punkt einig: 
dass alles gut, alles in Ordnung ist. 
 
Obwohl gar nichts in Ordnung ist, ist alles gut. 
Ein wirklich seltsamer Widerspruch. 
Aber tragischerweise kommen die meisten Leute gar nicht dazu, 
zu erkennen, 
dass tatsächlich alles gut ist, denn sie schlafen. 
Sie haben einen Alptraum.

Vor einiger Zeit hörte ich im Radio die Geschichte von einem Mann,
 der an die Zimmertür seines Sohnes klopft und ruft: „Jim, wach auf!"
Jim ruft zurück:„Ich mag nicht aufstehen, Papa."
Darauf der Vater noch lauter: „Steh auf, du musst in die Schule!"
„Ich will nicht zur Schule gehen."
„Warum denn nicht?" fragt der Vater.
„Aus drei Gründen", sagt Jim.
„Erstens ist es so langweilig, 
zweitens ärgern mich die Kinder, 
und drittens kann ich die Schule nicht ausstehen."

Der Vater erwidert: „So, dann sag' ich dir drei Gründe, 
wieso du in die Schule musst: 

Erstens ist es deine Pflicht, 
zweitens bist du 45 Jahre alt, 
und drittens bist du der Rektor." 
 
Also aufwachen, aufwachen! 
 
Du bist erwachsen geworden, du bist zu groß, um zu schlafen. 
 
Wach auf! Hör auf, mit deinem Spielzeug zu spielen.
 
Anthony de Mello






Freitag, 11. Dezember 2020

Gott will nicht den gescheiterten Flug - Peter Strauch

 

Lecker Essen



Gott will nicht den gescheiterten Flug

Manchmal, so meine ich, trifft auf mit zu, was man unter "gelebt werden" versteht.
Es gibt Zeiten, wo ich nicht mehr das Steuer halte, sondern mich treiben lasse.
Alles ist mir zuwider. Alles hat sich gegen mich verschworen. 

Ich habe keine Lust mehr.
Ich möchte schlafen. Lange ... oder woanders sein. 
Ich kann mich selbst nicht ausstehen. 

Und dann gibt es Augenblicke, wo es mir den Atem verschlägt. 
Wo ich schreien möchte.
Oft nicht einmal meinetwegen. 
Sondern weil ich zu sehen muß und machtlos bin.-
 
Aber das andere, das ist häufiger: 
Müdigkeit, Widerwärtigkeit, Ekel. Und Angst. 
Angst, die tief innen sitzt, weil ich mich frage:
 
Wo soll das noch hinaus? 
Was hat das alles für einen Sinn?
Nein, ich steige nicht aus, ich gehe nicht über Bord. 
Ich kauere da und warte ab, 
daß auch in diesem Unwetter ganz nah einer dasteht 
und daß ich höre, wie er sagt: Sei doch nicht so!
Wir schaffen es schon, wir zwei! 

Und ich wage nicht hinzuschauen, aber ich weiß: 
Es ist der Herr, 
der seit zweitausend Jahren und einer Ewigkeit mein Bruder geworden ist 
und mich nie mehr im Stich läßt. 

Wenn ich nur aushalte und ein bißchen Vertrauen aufbringe, 
ruft er für mich ein Loch in den Sturm, eine Höhle zum Aufatmen.
 
Und seine Stimme ist die Musik, die mich wieder lächeln macht:
Ich werde leben!!!
               
Meine Hand steht in deinen Händen.
Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir. 
Du gibst Geborgenheit, du kannst
alles wenden.
Gib mir ein festes Herz, mach es fest

in dir.

Peter Strauch





Donnerstag, 10. Dezember 2020

Aufwind deines Atems - Kyrilla Spiecker

 

Mohn - Regentropfen




Erst
wenn wir uns
wie ein Vogel
in den Aufwind
DEINES Atems
stürzen,
können wir von
DEINEM Geist
getragen werden.



Kyrilla Spiecker

Mittwoch, 9. Dezember 2020

Der Ball des Gehorsams (4) - Madeleine Debrél

 

Feuerschale



Der Ball des Gehorsams (4)

‚Wir haben auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt’


Herr, lehre uns den Platz,
Den in dem endlosen Roman,
Der zwischen dir und uns begonnen hat,

und uns einnimmt, dieser seltsame Ball des Gehorsams.


Offenbare uns das grosse Orchester Deiner Heilspläne,
Worin das, was du zulässt,
einfach befremdliche Töne von sich gibt
Inmitten der Heiterkeit dessen, was dein Wille ist.



Gib, dass wir unser Dasein leben
Nicht wie ein Schachspiel, bei dem alles berechnet ist,
Nicht wie einen Match, bei dem alles schwierig ist,
Nicht wie ein Zahlenproblem,
bei dem man sich den Kopf zerbricht,
sondern wie ein endloses Fest,
bei dem man dir immer wieder begegnet.
Wie einen Ball, wie einen Tanz
In den Armen deiner Gnade,
zu der Musik allumfassender Liebe.


Herr, komm und lade uns ein.
  


Madeleine Debrél




Dienstag, 8. Dezember 2020

Der Ball des Gehorsams (3) - Madeleine Debrél

 

Franziskus - Pax et Bonum


Der Ball des Gehorsams (3)

‚Wir haben auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt’


Wir aber, wir vergessen so oft die Musik deines Geistes,
Wir haben aus unserem Leben eine Turnübung gemacht;
Wir vergessen, dass es in deinen Armen getanzt sein will;
Dass Dein Heiliger Wille von unerschöpflicher Phantasie ist.
Und dass es monoton und langweilig
Nur für grämliche Seelen zugeht,
Die als Mauerblümchensitzen am Rand
Des fröhlichen Balls deiner Liebe.

Herr, komm und lade uns ein.
Wir sind bereit, dir diese Besorgung vorzutanzen,
Dieses Haushaltungsbuch, dieses Essen,
das bereitet werden muss, diese Nachtwache,
Bei der wir schläfrig sein werden.
Wir sind bereit, dir diesen Tanz der Arbeit zu tanzen,
Den der Hitze und dann wieder den der Kälte.
Wenn gewisse Melodien in Moll stehen,
werden wir nicht behaupten, Sie seinen traurig;
Wenn andere uns etwas außer Atem bringen,
sagen wir nicht,
Sie stießen uns die Lunge aus dem Leib.
Und wenn die Leute uns anrempeln,
Nehmen wir es lachend hin,
Weil wir wissen, dass sowas beim Tanz immer vorkommt.



Madeleine Debrél




Montag, 7. Dezember 2020

Der Ball des Gehorsams (2) - Madeleine Debrél

 

Rosheim - Dachreiter




Der Ball des Gehorsams (2)

‚Wir haben auf der Flöte gespielt und ihr habt nicht getanzt’

Denn ich glaube, du hast von den Leuten genug,
die ständig davon reden, dir zu dienen
mit der Miene von Feldwebeln,
Dich zu kennen mit dem Gehabe von Professoren,
Zu dir zu gelangen nach den Regeln des Sports
Und dich zu lieben,
wie man sich nach langen Ehejahren liebt.

Eines Tages,
als du ein wenig Lust auf etwas Anderes hattest,
hast du den heiligen Franz erfunden
und aus ihm Deinen Gaukler gemacht.
An uns ist’s, uns von dir erfinden zu lassen,
um fröhliche Leute zu sein,
die ihr Leben mit dir tanzen.

Um gut tanzen zu können, mit dir oder auch sonst
Braucht man nicht zu wissen, wohin der Tanz führt.
Man muss ihm nur folgen,
darauf gestimmt sein, schwerelos sein,
Und vor allem: Man darf sich nicht versteifen.

Man soll dir keine Erklärungen abverlangen
Über die Schritte, die du zu tun beliebst,
Sondern ganz mit dir eins sein – und lebendig pulsierend
Einschwingen auf den Takt des Orchesters
den du auf uns überträgst.
Man darf nicht um jeden Preis vorwärtskommen wollen,
manchmal muss man sich drehen oder seitwärts gehen.
Und man muss auch innehalten können
oder gleiten, anstatt zu marschieren.
Und all das wären ganz sinnlose Schritte,
Wenn die Musik nicht eine Harmonie daraus machte.
  

Madeleine Debrél