Donnerstag, 31. Dezember 2015

 


   Glauben heißt:
  
         warten können bis Gott das letzte
 
          Wort spricht
   Glauben heißt:
           vertrauen, hoffen wider alle Hoffnung.
   Glaube ist der Vogel, welcher singt,
   wenn die Nacht noch dunkel ist.

   Rabindranath Tagore

Mittwoch, 30. Dezember 2015


 

Segensgebet aus Ägypten


                                      Der Herr segne dich.

Er erfülle deine Füße mit Tanz und deine Arme mit Kraft.

Er erfülle dein Herz mit Zärtlichkeit und deine Augen mit Lachen.

Er erfülle deine Ohren mit Musik und deine Nase mit Wohlgerüchen.

Er erfülle deinen Mund mit Jubel und dein Herz mit Freude.

Er schenke dir immer neu die Gnade der Wüste:

Stille, frisches Wasser und neue Hoffnung.

Er gebe uns allen immer neu die Kraft,

der Hoffnung ein Gesicht zu geben.

                                      Es segne dich der Herr.

Dienstag, 29. Dezember 2015

 

                   Nicht mehr: ES muß anders werden
  
                             IHR müßt anders werden
 
                              DU mußt anders werden
                   Sondern:    ICH muß anders werden
                   Sodann:     ICH bin anders geworden
                               Du darfst anders werden
 
                              IHR dürft anders werden
 
                              ES darf anders werden
 


                                         D. Schneider

Montag, 28. Dezember 2015



Es ist gut am Rand zu leben
schon der gedachte Tod macht
Aufmerksam

Ulrich Schaffer

Sonntag, 27. Dezember 2015



Schöner als der beachtliche Mond und sein geadeltes Licht,
Schöner als die Sterne, die berühmten Orden der Nacht,
Viel schöner als der feurige Auftritt eines Kometen
Und zu weit Schönerem berufen als jedes andre Gestirn,
Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne.
Schöne Sonne, die aufgeht, ihr Werk nicht vergessen hat
Und beendet, am schönsten im Sommer, wenn ein Tag
An den Küsten verdampft und ohne Kraft gespiegelt die Segel
Über dein Aug ziehn, bis du müde wirst und das letzte verkürzt.

Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein ...
Nichts Schönres als den Stab im Wasser zu sehen und den Vogel oben,
Der seinen Flug überlegt, und unten die Fische im Schwärm,
Gefärbt, geformt, in die Welt gekommen mit einer Sendung von Licht.

Schöne Sonne, der vom Staub noch die größte Bewundrung gebührt,
Drum werde ich nicht wegen dem Mond und den Sternen und nicht,
Weil die Nacht mit Kometen prahlt und in mir einen Narren sucht,
Sondern deinetwegen und bald endlos und wie um nichts sonst
Klage führen über den unabwendbaren Verlust meiner Augen.
Ingeborg Bachmann 

Samstag, 26. Dezember 2015

 


Laßt uns Gehende bleiben.
Wir sind nicht ganz zu Hause auf dieser Welt.
Wenn wir pilgern, sind wir nicht wir.

Er geht mit. Er ist dabei.

Wir sind unterwegs mit dir, Gott.
Durch Dunkel und Nässe,
durch Nebel und oft ohne Weg
und nicht selten ohne Ziel.
Wir sind Wanderer.
Wir sind Gehende.

Wir sind noch nicht ganz angekommen.

So wandert Gott mit uns
und lehrt uns das Gehen -
und das Suchen

Dorothee Solle

Freitag, 25. Dezember 2015



                  Nur für heute                   werde ich in der Gewissheit                   glücklich sein,                   dass ich für das Glück geschaffen bin -                   nicht für die anderen,                   sondern auch für diese Welt.

                  Johannes XXIII

Donnerstag, 24. Dezember 2015



                 Ich weiß mich gehalten und habe darin Ruhe und Sicherheit -
                 nicht die selbstgewisse Sicherheit des Menschen,
                 der in eigener Kraft auf festem Boden steht,
                 sondern die süße und selige Sicherheit des Kindes,
                 das von einem starken Arm getragen wird -
                 eine, sachlich betrachtet, nicht weniger vernünftige Sicherheit.
                 Oder wäre das Kind „vernünftig",
                 das beständig in der Angst lebte, die Mutter könnte es fallen lassen?

                 Edith Stein

Mittwoch, 23. Dezember 2015



Was siehst du?

Der Meister hob hervor, dass die Welt, wie sie die meisten Leute sehen, 
 nicht die Welt der Wirklichkeit ist, 
sondern eine Welt, die ihr Kopf hervorgebracht hat.
Als ein Schüler das in Frage stellen wollte, 
nahm der Meister zwei Stöcke und legte sie in Form eines T auf den Boden. 
Dann fragte er den Schüler: „Was siehst du hier?"
„Den Buchstaben T", antwortete er.
„Genauso habe ich es mir vorgestellt", sagte der Meister. 
„Es gibt von sich aus keinen Buchstaben T; das T ist die Bedeutung, die du ihm gibst.
Was du vor dir siehst, sind zwei abgebrochene Äste in Form von Stöcken."


Anthony de Mello

Dienstag, 22. Dezember 2015



Es herrscht das ganze Leben lang
eine Art Kampf zwischen uns und den Dingen!
Entweder wir gehen in ihnen auf,
oder aber wir absorbieren und assimilieren sie.
Das Feld gehört dem Stärkeren,
das heißt dem Ungeteilteren,
das heißt schließlich dem inniger mit Gott vereinten.

 

Teilhard de Chardin

Montag, 21. Dezember 2015



Der heutige Zustand der Welt, das ganze Leben ist krank.
Wenn ich Arzt wäre und man mich fragte, was rätst du?
Ich würde antworten: 

Schaffe Schweigen! Bringe die Menschen zum Schweigen.
Gottes Wort kann so nicht gehört werden.
Und wenn es unter der Anwendung 
lärmender Mittel geräuschvoll hinausgerufen wird,
daß es selbst im Lärm gehört werde,
so ist es nicht mehr Gottes Wort. 
Darum schaffe Schweigen!
Sören Kierkegaard

Sonntag, 20. Dezember 2015






Es gibt nur eine Einsamkeit, und die ist groß und ist nicht leicht zu tragen,
und es kommen fast allen die Stunden, da sie sie gerne vertauschen möchten
gegen irgendeine noch so banale und billige Gemeinsamkeit,
gegen den Schein einer geringen Übereinstimmung mit dem Nächstbesten...
Aber vielleicht sind das gerade die Stunden, wo die Einsamkeit wächst;
denn ihr Wachsen ist schmerzhaft wie das Wachsen des Knaben
und traurig wie der Anfang der Frühlinge.
Aber das darf Sie nicht irre machen.
Was not tut, ist doch nur dieses: Einsamkeit, große innere Einsamkeit.
In-sich-Gehen und stundenlang niemandem begegnen - das muß man erreichen können.
Einsam sein, wie man als Kind einsam war, als die Erwachsenen umhergingen,
mit Dingen verflochten, die wichtig und groß schienen,
weil die Großen so geschäftig aussahen und weil man von ihrem Tun nichts begriff.
Und wenn man eines Tages einsieht, daß ihre Beschäftigungen armselig,
ihre Berufe erstarrt und mit dem Leben nicht mehr verbunden sind,
warum dann nicht weiter wie ein Kind darauf hinsehen,
als auf ein Fremdes, aus der Tiefe der eigenen Welt heraus,
aus der Weite der eigenen Einsamkeit, die selber Arbeit ist und Rang und Beruf?
Warum eines Kindes weises Nicht-Verstehen vertauschen wollen
gegen Abwehr und Verachtung, da doch Nicht-Verstehen Alleinsein ist
Abwehr und Verachtung aber Teilnahme an dem,
wovon man sich mit diesen Mitteln scheiden will.




Rainer Maria Rilke

Samstag, 19. Dezember 2015



WER BIN ICH (2)


Unruhig, sehnsüchtig, krank,

wie ein Vogel im Käfig,
ringend nach Lebensatem, als würgte mir einer die Kehle,
hungernd nach Farben, nach Blumen, nach Vogelstimmen,
dürstend nach guten Worten, nach menschlicher Nähe,
zitternd vor Zorn über Willkür und kleinlichste Kränkung,
umgetrieben vom Warten auf große Dinge,
ohnmächtig bangend um Freunde in endloser Ferne,
müde und zu leer zum Beten, zum Denken, zum Schaffen,
matt und bereit, von allem Abschied zu nehmen?
Wer bin ich? Der oder jener?

Bin ich denn heute dieser und morgen ein anderer?
Bin ich beides zugleich? Vor Menschen ein Heuchler
und vor mir selbst ein verächtlich wehleidiger Schwächling?
Oder gleicht, was in mir noch ist, dem geschlagenen Heer,
das in Unordnung weicht vor schon gewonnenem Sieg?

Wer bin ich? Einsames Fragen treibt mit mir Spott.
Wer ich auch bin, Du kennst mich, Dein bin ich, o Gott!




Dietrich Bonhoeffer

Freitag, 18. Dezember 2015

 
WER BIN ICH (1)


Sie sagen mir oft,
ich träte aus meiner Zelle
gelassen und heiter und fest
wie ein Gutsherr aus seinem Schloß.


Wer bin ich? Sie sagen mir oft,
ich spräche mit meinen Bewachern
frei und freundlich und klar,
als hätte ich zu gebieten.

Wer bin ich? Sie sagen mir auch,
ich trüge die Tage des Unglücks
gleichmütig, lächelnd und stolz,
wie einer, der Siegen gewohnt ist.
Bin ich das wirklich, was andere von mir sagen?
Oder bin ich nur das, was ich selbst von mir weiß?
 




Dietrich Bonhoeffer 

Donnerstag, 17. Dezember 2015

 

Du musst niemanden beeindrucken, nie wieder.

Du fühlst dich in der Welt einfach wohl,

du verlangst von niemandem mehr etwas.

Wenn deine Wünsche nicht erfüllt werden,

macht dich das nicht unglücklich.

Wenn du dich vor niemandem mehr verteidigen musst,

fühlst du dich auch nicht mehr dazu gezwungen,

dich zu entschuldigen.

Noch nicht einmal, dich zu erklären.

Du musst niemand mehr beeindrucken.

Du belastest dich nicht damit, was andere sagen oder denken.

Es macht dir nichts aus, es trifft dich nicht.

Dann wird die Liebe beginnen.



Aber erst dann.

Anthony de Mello

Mittwoch, 16. Dezember 2015

 

Wenn Christus euch befreit,
dann seid ihr wirklich frei Menschen.

Ich möchte gerne frei sein von meiner Angst
gegen den Strom zu schwimmen,
damit ich tun kann, was recht ist
Ich möchte gern frei sein von dem Zwang
immer nur an mich selbst zu denken,
damit ich auch den anderen sehe.
Ich möchte gern frei sein von meiner Art,
den bequemsten Weg zu gehen,
damit ich mich mit gutem Gewissen freuen kann über das Erreichte.
Ich möchte gern frei  sein von meiner Schuld
anderen gegenüber, die mir nicht liegen,
damit es mir nachher nicht leid tut.
Ich möchte gern frei sein von meinem Neid
auf jeden, der etwas hat oder ist,
denn Neid macht nicht fröhlich.

Dienstag, 15. Dezember 2015

denk Mal in Bozen


Es kommt nicht darauf an, "Menschenkenntnis" zu entwickeln, 
und schon gar nicht darauf, 
Menschen zu durchschauen,
sondern zu klären,
wie man selbst mit anderen Menschen umgeht 

oder an ihnen vorbei lebt. 

Über Menschen nachdenken 

ist der Anfang der Selbsterkenntnis;
sie verstehen 

der Anfang der Liebe und
ohne Einschränkung mit allen umgehen können zeigt an, 

wie frei einer von sich selbst ist.
Wer etwa für andere Menschen beten will muß mit ihnen leben.




                                                 J. Zink


Montag, 14. Dezember 2015

Bozen


Ich werde ganz Ohr
wenn jemand wirklich mich meint.
Mancher berauscht sich nur
am Echo der eigenen Stimme,
aber aufmerksam werde ich,
wenn jemand auch Antwort aus ist.
Dann wird meine Hörbereitschaft geweckt.
Ich kann auch den Sprechenden ermutigen,
Worte zu finden, die ihr Ziel erreichen
.

                                          Otto und Felicitas Betz

Sonntag, 13. Dezember 2015


Ein Wanderer: „Wie wird das Wetter heute?" 
Der Schäfer: „So, wie ich es gerne habe." 
„Woher wisst Ihr, dass das Wetter so sein wird, wie Ihr es liebt?"

„Ich habe die Erfahrung gemacht, mein Freund, dass ich nicht immer das bekommen kann, was ich gerne möchte. Also habe ich gelernt, immer das zu mögen, was ich bekomme. 

Deshalb bin ich ganz sicher: das Wetter wird heute so sein, wie ich es mag."

Was immer geschieht, an uns liegt es, Glück oder Unglück darin zu sehen.
Anthony de Mello

Samstag, 12. Dezember 2015

Umkehr oder Erwachen

Aufstehen, Straßenbahn, vier Stunden Büro oder Fabrik,
Essen, Straßenbahn, vier Stunden Arbeit,
Essen, Schlafen...
Montags, Dienstags, Mittwoch, Donnerstag, Freitag, Samstag, Sonntag, immer derselbe Rythmus...
Das ist sehr lange ein bequemer Weg.
Eines Tages aber steht das "Warum" da,
und mit diesem Überdruß,
in den sich das Erstaunen mischt,
fängt alles an.
"Fängt an" - das ist wichtig.
Der Überdruß ist das Ende des mechanischen Lebens
gleichzeitig aber auch der Anfang
der Bewußtseinsbildung.
Er weckt das Bewußt-sein
und bereitet den nächsten Schritt vor.
Der nächste Schritt ist die unbewußte Umkehr
in die Kette alltäglicher Gebärden
oder
das endgültige Erwachen.

 


                                                 A. Camus

Freitag, 11. Dezember 2015



Ich verspreche es

Wir sehen die Menschen meistens durch die Brille unserer vorgefassten Meinungen.

Chef: „Sie sehen erschöpft aus. Was ist los?"
Sekretärin: „Also ... nein, Sie würden es nicht glauben, wenn ich es Ihnen sagte."

„Natürlich würde ich es glauben."
„Nein, das würden Sie nicht, das weiß ich."

„Ich werde Ihnen bestimmt glauben, ich verspreche es."
„Also gut, ich habe heute zuviel gearbeitet."


„Das glaube ich nicht."


Anthony de Mello

Donnerstag, 10. Dezember 2015



Wenn man eine Uhr besitzt,

weiß man, wie spät es ist.


Hat man zwei Uhren,











 ist man nie ganz sicher.

Mittwoch, 9. Dezember 2015



Die Überraschung

Es ist wunderbar, nein sagen zu können; es gehört zum Wachwerden. 
Es gehört mit zum Wachwerden, sein Leben so zu leben, wie man es für richtig hält.

Verstehen Sie mich recht: das hat nichts mit Egoismus zu tun. 

Egoistisch wäre es, zu verlangen, dass jemand sein Leben so lebt, 
wie Sie es für richtig halten. 
Das ist egoistisch. 

Es ist nicht egoistisch, sein Leben so zu leben, wie man es selbst für richtig hält. 

Der Egoismus liegt in der Forderung, dass andere Leute so leben sollen, wie es Ihrem Geschmack, Ihrem Stolz, Ihrem Nutzen oder Ihrem Vergnügen entspricht. Das ist wirklich egoistisch. 

Deshalb schütze ich mich. 
Ich fühle mich nicht dazu verpflichtet, mit dir zusammen zu sein,
 ebensowenig fühle ich mich dazu verpflichtet, ja zu sagen. 
Wenn ich deine Gesellschaft mag, genieße ich sie, ohne mich daran zu klammern. 
Aber ich meide dich nicht länger wegen irgendwelcher negativen Gefühle, die du in mir weckst. 
Diese Macht hast du nicht mehr.

Anthony de Melo

Dienstag, 8. Dezember 2015


Die Seele ist der Stille nicht mehr fähig,
in der allein
ihre Liebes- und Glaubenskraft sich sammelt,
ihre höchste Hoffnung gedeiht.
Wenn Gott schwiege
und der Mensch
noch immer nicht zu schweigen vermöchte,
ja der Mensch sich immer lauter gebärdete,
eben weil er fühlt —
nicht weiß und nicht wissen will
daß Gott schweigt:
was dann?


Es würde sich mit den Völkern verhalten
wie mit den Bewohnern einer großen Stadt,
deren übergrelles Licht die Tiefe
des nächtlichen Himmels verdeckt,
so daß kein Blick hinaufdringt;
eingesponnen im mißfarbigen Lichtgewebe,
gefangen im selbsterzeugten Lärm,
liegt die Stadt in der ungeheuren Nacht,
deren Gestirne über sie herrschen.



Reinhold Schneider

Montag, 7. Dezember 2015



Zu dir kann ich kommen, ohne eine Uniform anziehen oder
einen Koran hersagen zu müssen;
kein Stück meiner inneren Heimat
brauche ich preiszugeben.
In deiner Nähe habe ich mich
nicht zu entschuldigen,
nicht zu verteidigen,
brauche ich nichts zu beweisen.
Über meine ungeschickten Worte,
über die Urteile hinweg,
die dich irreführen können,
siehst du in mir einfach den Menschen.
Dein Ja-Sagen zu dem, was ich bin
hat dich gegen Haltung und Bekenntnis nachsichtig gemacht,
so oft es nötig war.
Ich weiß dir Dank dafür,
daß du mich so hinnimmst wie ich bin.


A. de Saint-Exupery

Sonntag, 6. Dezember 2015

 

Wenn Morgenfrische der Mittagsmüdigkeit weicht,
wenn die Beinmuskeln vor
Anspannung beben,
wenn der Weg unendlich scheint
und plötzlich nichts mehr gehen
will - gerade dann darfst
du nicht zaudern.


D. Hammarskjöld

Samstag, 5. Dezember 2015








„Eines Tages wirst du begreifen, dass du nach dem suchst, 
was du schon hast", sagte der Meister zu einem eifrigen Schüler.

„Warum sehe ich es dann nicht jetzt?"

„Weil du dich darum bemühst."

„Muss ich mich also nicht anstrengen?"

„Wenn du dich entspannst und ihm Zeit lässt, wird es sich selbst zu erkennen geben."
 

Anthony de Mello