Anmut und Behagen (1)
Unser großer Schmerz ist, daß wir
dich ohne Freude lieben,
o du, von dem wir «glauben», du
seist unser Jubel;
daß wir ohne Behagen und Anmut
an deinen Willen gekrampft sind,
der unsere Tage bewegt.
Ein großer Schmerz, Herr, ist es
für uns,
einen Künstler zu hören,
wie er die Menschenmusik ohne
Ermüdung spielt,
indem er sich von ihr tragen läßt,
und durch die Akrobatik der
Harmonien hindurch
einer Welle von Liebe begegnet,
die doch nur Menschenmaß hat.
Von ihm vielleicht sollten wir es
lernen,
deine Liebe zu spielen,
wir, für die diese Liebe zu groß,
zu schwer ist.
Ich sah einen, der eine
Zigeunerweise spielte
auf einer Geige aus Holz,
Mit Händen aus Fleisch.
In dieser Geige trafen sich sein
Herz und die Musik.
Die Zuhörer hätten niemals erraten
können,
daß die Melodie schwierig war,
Und wie lang er Tonleitern üben
mußte,
seine Finger verrenken,
um die Noten und Klänge sich in
die Fibern
seines Gehirns einprägen zu
lassen.
Sein Körper war fast ohne
Bewegung,
nur seine Finger, seine Arme.
Wenn er sich lang bemüht hatte,
die Wissenschaft
der Musik zu besitzen, so war es
jetzt die Musik,
die ihn
besaß, ihn belebte,
ihn aus sich selber hinauswarf wie
eine tönende Entzückung.
Madeleine Delbrêl
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