Samstag, 20. Juni 2015






Man schweigt und kommt sich christlich vor,
indem man sein eigenes Erbarmen genießt,
eine Art von Erbarmen, das nichts verändert;
der bloße Verzicht, sich in das Wagnis eines Urteils einzulassen,
ist ja noch keine Gerechtigkeit, geschweige denn Güte oder sogar Liebe.
Er ist einfach unverbindlich, weiter nichts.
Nun ist aber gerade die Unverbindlichkeit,
das Schweigen zu einer Untat, die man weiß,
wahrscheinlich die allergemeinste Art unserer Mitschuld.

Max Frisch

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