Anmut
und Behagen (2)
Ich sah einen, der eine
Zigeunerweise spielte
auf einer Geige aus Holz,
Mit Händen aus Fleisch.
In dieser Geige trafen sich sein
Herz und die Musik.
Die Zuhörer hätten niemals erraten
können,
daß die Melodie schwierig war,
Und wie lang er Tonleitern üben
mußte,
seine Finger verrenken,
um die Noten und Klänge sich in
die Fibern
seines Gehirns einprägen zu
lassen.
Sein Körper war fast ohne
Bewegung,
nur seine Finger, seine Arme.
Wenn er sich lang bemüht hatte,
die Wissenschaft
der Musik zu besitzen, so war es
jetzt die Musik,
die ihn
besaß, ihn belebte,
ihn aus sich selber hinauswarf wie
eine tönende Entzückung.
Unter jeder gespielten Note hätte
man eine ganze Geschichte
von Fingerübungen, Anstrengungen,
Kämpfen entdecken können;
aber jede Note enteilte, als sei
ihre Aufgabe erledigt,
wenn sie durch ihren genauen,
vollkommenen Klang den Weg
für eine andere vollkommene Note
gebahnt.
Jede dauerte solange es nötig war.
Keine ging zu schnell los.
Keine verzögerte sich.
Sie dienten einem unmerklichen und
allmächtigen Hauch.
Madeleine Delbrêl
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