Wir wussten nicht, dass es ein Evangelium gibt.
Eine christliche
Umwelt ist eine solche, der das Evangelium verkündet worden ist.
Lange Zeit war
keine neue Verkündigung nötig, sie erübrigte sich. Wer als Christ das
Evangelium verkünden wollte, musste sich spezialisieren, aus dem Normalen
heraus- und anderswohin ziehen: am Ort verkündete er es nicht, denn dazu war
kein Anlass.
Trotzdem demissionierte er nicht, aber die Verkündigung blieb außerhalb
des täglichen Gesichtsfelds; man ließ die übernatürliche Wirklichkeit, die der
tragende Grund der Verkündigung ist, in der gleichen scheinbaren
Unverwendbarkeit erstarren.
So entschwand diese Wirklichkeit auch ihrerseits dem Blick, weil man
nichts mehr von ihr erwartete.
Eine atheistische Umwelt hingegen ist zu christianisieren. Je
zeitgemäßer sie ist, desto umfassender muss die christliche Verkündigung sein
und desto vordringlicher ist sie.
Und weil die Verkündigung umfassend sein muss, bringt sie die
unverwendeten übernatürlichen Wahrheiten in unser praktisches Gesichtsfeld
zurück: sie werden für uns aufs neue wirklich und unentbehrlich.
Zum ersten Mal geht diese Wirklichkeit uns an, ist wie ein Anruf an
uns, neu zu glauben, besser zu glauben. Unsere christliche Berufung, unsere eigene
Treue zu Gott werden uns in Erinnerung gebracht.
Und diesmal fällt beim neuergangenen Ruf die christliche Verkündigung
nicht mehr außer Betracht. Sie ist nichts Beliebiges mehr: Verkündigung wird
eine Art organische Notwendigkeit, eine erstrangige Standespflicht.
Madeleine Delbrel
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