Samstag, 20. Januar 2018





Einsamkeit ist nicht Abwesenheit von Menschen (02a)



Die Einsamkeit, o Gott,
besteht nicht darin, dass wir allein sind,
sondern darin, dass du da bist,
denn vor dir versinkt alles im Tod
oder alles wird du.

Was nützte es uns, bis ans Ende der Welt zu gehen, um eine Wüste zu finden?

Warum hinter Mauern gehen,
die uns trennten von der Welt?
Denn du wirst dort nicht gegenwärtiger sein
als im Lärm der Maschinen
oder als in der Menge aus hundert Gesichtern.

Sind wir so kindlich zu meinen, all diese Menschen seien
groß genug,
wichtig genug,
lebendig genug,
um uns die Sicht zu versperren, wenn wir Ausschau halten nach dir?

Allein sein heißt
nicht,
die Menschen hinter sich gelassen
oder sie verlassen zu haben;
allein sein heißt
wissen,
dass du groß bist, o Gott,
dass du allein groß bist
und dass kein nennenswerter Unterschied besteht
zwischen der Unendlichkeit der Sandkörner
und der unendlichen Zahl menschlichen Lebens.




Madeleine Delbrél

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