Dienstag, 31. Juli 2012

Innerhalb des Gebäudes
einer Wissenschaft
schwört man leicht,
festen Boden unter den
Füßen zu hben.


Man vergißt, daß das ganze Gebäude
auf ein paar unbeweisbaren
schwimmern, den Axiomen, ruht.


Axiome sind die von der Intuition
aufgespürtenunsichtbaren Trittplatten
unter der Wasseroberfläche
des Wissens,
die ein unbescheidener Intelekt
zu dem Wahn mißbraucht,
er könne über's Wasser gehen

Peter Horton

Montag, 30. Juli 2012


Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte. (2) 

Schicke mir im rechten Augenblick jemand,
der den Mut hat,
mir die Wahrheit in Liebe zu sagen.
Ich möchte Dich und die anderen immer
aussprechen lassen.
Die Wahrheit sagt man nicht sich selbst,
sie wird einem gesagt.
Ich weiß, dass sich viele Probleme dadurch
lösen, dass man nichts tut.
Gib, dass ich warten kann.
Du weißt, wie sehr wir der Freundschaft
bedürfen.
Gib, dass ich diesem schönsten, schwierigsten,
riskantesten und
zartesten Geschenk des Lebens gewachsen bin.
Verleihe mir die nötige Phantasie,
im rechten Augenblick ein Päckchen Güte,
mit oder ohne Worte, an der richtigen Stelle
abzugeben.
Bewahre mich vor der Angst, ich könnte
das Leben versäumen.
Gib mir nicht, was ich mir wünsche,
sondern was ich brauche.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte!

Antoine de Saint-Exupéry

Sonntag, 29. Juli 2012


Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte. (1)
 
Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr,
sondern um Kraft für den Alltag.



Mach mich findig und erfinderisch,

um im täglichen Vielerlei und Allerlei

rechtzeitig meine Erkenntnisse und Erfahrungen

zu notieren, von denen ich betroffen bin.


Mach mich griffsicher

in der richtigen Zeiteinteilung.

Schenke mir das Fingerspitzengefühl,

um herauszufinden,

was erstrangig und zweitrangig ist.


Ich bitte um Kraft für Zucht und Maß,

dass ich nicht durch das Leben rutsche,

sondern den Tagesablauf vernünftig einteile,

auf Lichtblicke und Höhepunkte achte.


Bewahre mich vor dem naiven Glauben,

es müsste im Leben alles glatt gehen.

Schenke mir die nüchterne Erkenntnis,

dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Misserfolge,

Rückschläge

eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind,

durch die wir wachsen und reifen.


Antoine de Saint-Exupéry

Samstag, 28. Juli 2012

O Gott,
wenn du unsere Schöpfung heimbringst,
dann öffne das große Tor
für die geschwätzige Rasse der Menschen.

Dann wird die Zeit vollendet sein,
und unsere Fragen
werden ihren Sinn verlieren,
wir werden von ihnen geheilt sein
wie von einer Krankheit.
Denn der Fortschritt des Menschen
besteht in der Entdeckung,
dass seinen Fragen kein Sinn innewohnt.

Ich habe die Weisen dieser Erde befragt.
Sie haben auf die Fragen des vergangenen
fahr es keine Antwort gefunden.
Die aber zu dir heimkehrten,
lächeln heute über sich selbst,
denn als sie die Wahrheit erkannten,
waren alle ihre Fragen
wie ausgelöscht.

Wenn er dich aufnimmt, Mensch,
so heilt er dich.
Er nimmt deine Fragen
mit seiner Hand von dir wie ein Fieber.

 Gott,
wenn du deine Schöpfung eines Tages
heimbringst, so öffne das doppelte Tor
und lass uns eintreten in dein Haus,
wo wir nicht mehr nach Antworten suchen,
weil wir glücklich sind.
Denn die Seligkeit ist das Ende der Fragen.
Und unser Friede wird sein,
dich zu verehren.

Antoine de Saint-Exupéry

Freitag, 27. Juli 2012

Alle Schönheit dieser Welt
ist in Dir.
Die Weisheit dieser Welt
hat Dich nach Ihrem Bild geformt,
darum mache Dich mit uns auf den Weg,
das Kranke dieser Welt
gesundzulieben.

Peter Horton

Donnerstag, 26. Juli 2012


Anmut und Behagen

Unser großer Schmerz ist, daß wir dich ohne Freude lieben,
o du, von dem wir «glauben», du seist unser Jubel;
daß wir ohne Behagen und Anmut
an deinen Willen gekrampft sind,
der unsere Tage bewegt.
Ein großer Schmerz, Herr, ist es für uns,
einen Künstler zu hören,
wie er die Menschenmusik ohne Ermüdung spielt,
indem er sich von ihr tragen läßt,
und durch die Akrobatik der Harmonien hindurch
einer Welle von Liebe begegnet, die doch nur Menschenmaß hat.
Von ihm vielleicht sollten wir es lernen,
deine Liebe zu spielen,
wir, für die diese Liebe zu groß, zu schwer ist.

Ich sah einen, der eine Zigeunerweise spielte
auf einer Geige aus Holz, 
mit Händen aus Fleisch.

In dieser Geige trafen sich sein Herz und die Musik.
Die Zuhörer hätten niemals erraten können,
daß die Melodie schwierig war,
Und wie lang er Tonleitern üben mußte,
seine Finger verrenken,
um die Noten und Klänge sich in die Fibern
seines Gehirns einprägen zu lassen.

Sein Körper war fast ohne Bewegung,
nur seine Finger, seine Arme.
Wenn er sich lang bemüht hatte, die Wissenschaft
der Musik zu besitzen,
so war es jetzt die Musik,
die ihn besaß, ihn belebte,
ihn aus sich selber hinauswarf wie eine tönende Entzückung.

Unter jeder gespielten Notehätte man eine ganze Geschichte
von Fingerübungen, Anstrengungen, Kämpfen entdecken können;
aber jede Note enteilte,als sei ihre Aufgabe erledigt,
wenn sie durch ihren genauen, vollkommenen Klang den Weg
für eine andere vollkommene Note gebahnt. 

Jede dauerte solange es nötig war.
Keine ging zu schnell los.
Keine verzögerte sich.
Sie dienten einem unmerklichen und allmächtigen Hauch.

Ich sah auch schlechte Künstler,
verkrampft über zu schwierigen Stücken.
Ihr Spiel offenbarte ihre ganze Mühsal.
Vor lauter Hinsehn hörte man die Musik kaum.

Ein großer Schmerz für uns ist es,
daß wir deine schöne Musik so freudlos spielen,
Herr, der du uns Tag um Tag bewegst.

Daß wir immer noch bei den Tonleitern sind,
bei der Zeit der anmutslosen Bemühungen.
Daß wir zwischen den Menschen hindurchgehn
wie schwerbeladene, ernste, überanstrengte Leute.
Daß wir es nicht fertigbringen, über unserm Winkel der Welt,
während der Arbeit, der Hast, der Ermüdung
etwas auszubreiten wie

Anmut und Behagen der Ewigkeit.

Madeleine Delbrêl

Mittwoch, 25. Juli 2012


GLÜCK ODER PECH?

Eine chinesische Geschichte erzählt von einem alten Bauern, 
der ein altes Pferd für die Feldarbeit hatte. 
Eines Tages entfloh das Pferd in die Berge, 
und als alle Nachbarn des Bauern sein Pech bedauerten, antwortete der Bauer: 
„Pech? Glück? Wer weiß?"
Eine Woche später kehrte das Pferd mit einer Herde Wildpferde aus den Bergen zurück, 
und diesmal gratulierten die Nachbarn dem Bauern wegen seines Glücks. 
Seine Antwort hieß: „Glück? Pech? Wer weiß?"
Als der Sohn des Bauern versuchte, eines der Wildpferde zu zähmen, 
fiel er vom Rücken des Pferdes und brach sich ein Bein. 
Jeder hielt das für ein großes Pech. 
Nicht jedoch der Bauer, der nur sagte: „Pech? Glück? Wer weiß?"
Ein paar Wochen später marschierte die Armee ins Dorf und zog jeden tauglichen jungen Mann ein, den sie finden konnte. 
Als sie den Bauernsohn mit seinem gebrochenen Bein sahen, ließen sie ihn zurück. 
War das nun Glück? Pech? Wer weiß?

Was an der Oberfläche wie etwas Schlechtes, Nachteiliges aussieht, kann sich bald als etwas Gutes herausstellen. 
Und alles, was an der Oberfläche gut erscheint, kann in Wirklichkeit etwas Böses sein. 
Wir sind dann weise, wenn wir Gott die Entscheidung überlassen,
was Glück und was Unglück ist; 
wenn wir ihm danken, dass für jene, die ihn lieben, alles zum Besten gedeiht.

Dienstag, 24. Juli 2012

Nur die Kreativität
des kindlich offenen Gemüts
dringt in die Schale des Nichtwissens,
die das Herz der Wahrheit
dem flegelhaften Blick
eines sich selbst
vergötzenden Intellekts
verhüllt.

Peter Horton

Montag, 23. Juli 2012


Ein in Meditation erfahrener Mann wurde einmal gefragt;
warum er trotz seiner vielen
Beschäftigungen immer so gesammelt sein könne.
Dieser sagte:
Wenn ich stehe, dann stehe ich,
wenn ich gehe, dann gehe ich,
wenn ich sitze, dann sitze ich,
wenn ich esse, dann esse ich,
wenn ich spreche, dann spreche ich ...
Da fielen ihm die Fragesteller ins Wort und sagten:
Das tun wir auch, aber was machst
du darüber hinaus ?
Er sagte wiederum:
Wenn ich stehe, dann stehe ich,
wenn ich gehe, dann gehe ich,
wenn ich sitze, dann sitze ich,
wenn ich esse, dann esse ich,
wenn ich spreche, dann spreche ich ...
Wieder sagten die Leute: Das tun wir doch auch. Er aber sagte zu ihnen:
Nein,
wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon,
wenn ihr steht, dann lauft ihr schon,
wenn ihr lauft, dann seid ihr schon
am Ziel..."

Sonntag, 22. Juli 2012


Aufwachen!

Die meisten Leute schlafen, ohne es zu wissen.
Sie wurden schlafend geboren, sie leben schlafend, sie heiraten im Schlaf, erziehen im Schlaf ihre Kinder und sterben im Schlaf, ohne jemals wach geworden zu sein. Niemals verstehen sie den Reiz und die Schönheit dessen, was wir „menschliches Leben" nennen. 

Bekanntlich sind sich alle Mystiker - ob christlich oder nichtchristlich und egal, welcher theologischen Richtung oder Religion sie angehören - in diesem einen Punkt einig: dass alles gut, alles in Ordnung ist. Obwohl gar nichts in Ordnung ist, ist alles gut. Ein wirklich seltsamer Widerspruch. Aber tragischerweise kommen die meisten Leute gar nicht dazu, zu erkennen, dass tatsächlich alles gut ist, denn sie schlafen. Sie haben einen Alptraum.

Vor einiger Zeit hörte ich im Radio die Geschichte von einem Mann, der an die Zimmertür seines Sohnes klopft und ruft: „Jim, wach auf!"
Jim ruft zurück: „Ich mag nicht aufstehen, Papa." 
Darauf der Vater noch lauter: „Steh auf, du musst in die Schule!"
„Ich will nicht zur Schule gehen."
„Warum denn nicht?" fragt der Vater.
„Aus drei Gründen", sagt Jim. 
„Erstens ist es so langweilig, zweitens ärgern mich die Kinder, und drittens kann ich die Schule nicht ausstehen."

Der Vater erwidert: „So, dann sag' ich dir drei Gründe, wieso du in die Schule musst: Erstens ist es deine Pflicht, zweitens bist du 45 Jahre alt, und drittens bist du der Rektor." 
Also aufwachen, aufwachen! 
Du bist erwachsen geworden, du bist zu groß, um zu schlafen. 
Wach auf! Hör auf, mit deinem Spielzeug zu spielen.

Anthony de Mello

Samstag, 21. Juli 2012

Die Seele Verhungert
wenn man ihr vorenthält,
was sie ernährt:
Dankbarkeit, Bewunderung,
Demut und Zuversicht.

Peter Horton

Freitag, 20. Juli 2012


Sag ja zu Dir, so wie du bist.
Nur wer barmherzig mit sich ist,
ist's auch zum anderen neben sich.
Gott will, daß du ihn liebst wie dich.
Sei gut zu dir und nimm dich an.
Nur wer sich selber lieben kann,
liebt auch den anderen neben sich.
Gott will, daß du ihn liebst wie dich.
Entdecke dich und deinen wert.
Nur wer die eigenen Gaben ehrt,
ehrt auch den anderen neben sich.
Gott will, daß du ihn liebst wie dich.
Vergib dir Fehler und Fragment.
Nur wer die eigenen Grenzen kennt,
vergibt dem anderen neben sich.
Gott will, daß du ihn liebst wie dich.
Gott nimmt dich an und ist dir gut.
Gib weiter, was er Gutes tut,
an deinen Nächsten neben dir.
Dann wird aus ich und du ein Wir.

Detlev Block

Donnerstag, 19. Juli 2012

Erst wenn wir 
mit vollkommenem Gleichmut
dem begegen
was über uns gemeint
oder geredet wird,
können wir in uns die Geburt
der wahren Menschenliebe erleben.

Peter Horton

Mittwoch, 18. Juli 2012

Der Mensch
ist ein Projektil Gottes.
Seine Flugbahn
führt durch das Dasein
der Erfahrungen
über das Bewußtsein
alles Erfahrbaren
zurück
in das Herz aller Dinge.


SEIN Herz
das absolute Sein.

Peter Horton

Dienstag, 17. Juli 2012


Geben wir zu, 
wir sind auf jede Überraschung,   
vorbereitet,
nur die alltäglichen Dinge 
brechen über uns herein 
wie Katastrophen.

Stanislaw Jerzy Lec

Montag, 16. Juli 2012

Wir werden uns selbst überraschen,
wenn wir das ernst nehmen,
was in uns
zum Leben kommen will.

Ulrich Schaffer

Sonntag, 15. Juli 2012

Das Zeitalter des Nur-Glaubens
ist vorbei.
Wer sich heute
mit dem Glauben begnügt,
ohne um inennere Geweißheit zu ringen,
gleicht einem Menschen,
der zwar die Liebe zu einem anderen
in sich zu fühlen gleubt,
aber erwartet,
daß er die Segnungen der Liebe
ohne eigene Anstengung
stets vom anderen empfängt.

Peter Horton

Samstag, 14. Juli 2012

Es ist heute so schick
jemanden auseinanderzunehmen.

Der Aufbautat nicht fähig,

greift man gern mit grober Pranke
in das Feingefüge fremder Seelen;
wie ein Säugling
der mit leuchtenden Augen
Bauklötzchentürme zerstört.

Purzelnde Steichen sind ihm Spur
seiner erwachenden Schöpferkraft:

Er ist Ursache - also befriedigt.

Viele Menschen bleiben ein Leben lang
solcherart ein Säugling
und vegreisen schon in jungen Jahren.

Peter Horton (1978)

Freitag, 13. Juli 2012


Henne und Adler

Ein Mann fand ein Adlerei und legte es in das Nest einer gewöhnlichen Henne. Der kleine Adler schlüpfte mit den Küken aus und wuchs zusammen mit ihnen auf.

Sein ganzes Leben lang benahm sich der Adler wie die Küken, weil er dachte, er sei ein Küken aus dem Hinterhof. Er kratzte in der Erde nach Würmern und Insekten.
Er gluckte und gackerte. Und ab und zu hob er seine Flügel und flog ein Stück, genau wie die Küken. Schließlich hat ein Küken so zu fliegen, stimmt's?

Jahre vergingen, und der Adler wurde sehr alt. Eines Tages sah er einen herrlichen Vogel hoch über sich im wolkenlosen Himmel. Anmutig und hoheitsvoll schwebte er durch die heftigen Windströmungen, fast ohne mit seinen kräftigen goldenen Flügeln zu schlagen.

Der alte Adler blickte ehrfürchtig empor. „Wer ist das?" fragte er seinen Nachbarn.

„Das ist der Adler, der König der Vögel", sagte der Nachbar. „Aber reg dich nicht auf. Du und ich sind von anderer Art."

Also dachte der Adler nicht weiter an diesen Vogel. Er starb in dem Glauben, ein Küken im Hinterhof zu sein.

Donnerstag, 12. Juli 2012

Man müßte so still halten können,
so vorsichtig hinhören
und so aufmerksam betrachten,
daß sich die ganze Welt auftut
und man alles an ihr von innen versteht,
über alle Worte hinaus.

Ulrich Schaffer

Mittwoch, 11. Juli 2012


Der Zigeuner

In einer kleinen Grenzstadt lebte ein alter Mann schon fünfzig Jahre in dem gleichen Haus.
Eines Tages zog er zum großen Erstaunen seiner Umgebung in das Nachbarhaus um. Reporter der Lokalzeitung sprachen bei ihm vor, um ihn nach dem Grund zu fragen.

„Ich glaube, das ist der Zigeuner in mir", sagte er mit selbstzufriedenem Lächeln.

Habt ihr je von dem Mann gehört, der Christoph Columbus auf seiner Entdeckungsfahrt in die Neue Welt begleitete und sich die ganze Zeit grämte, vielleicht nicht rechtzeitig zurück zu sein, um die Nachfolge des alten Dorfschneiders anzutreten, und ein anderer ihm den Job wegschnappen könnte?
 
Um in dem Abenteuer, genannt Spiritualität, Erfolg zu haben, muß man fest entschlossen sein, aus dem Leben soviel wie möglich herauszuholen. Viele Menschen begnügen sich mit Nichtigkeiten wie Reichtum, Ruhm, Bequemlichkeit und menschlicher Geselligkeit.

Anthony de Mello

Dienstag, 10. Juli 2012

Ich glaube nicht
ist Selbstüberschätzung
Ich kann nicht glauben
wäre ehrlich

Peter Horton

Montag, 9. Juli 2012






JULI

Ein aufmerksames Herz - auch für sich selbst



  Schloß Schönbühl/Donau                                                                   © Bernd H Brang

                                      
Stift Göttweig / Österreich                                                                     © Bernd H Brang


Naumburg – Dom St Peter und Paul                                                     © Bernd H Brang






Ein aufmerksames Herz - auch für sich selbst



Wo soll ich anfangen?
Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir. Ich fürchte, daß du, eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest; daß du dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entledigst.

Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als daß sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst.
Du fragst, an welchen Punkt? An den Punkt, wo das Herz hart wird.
Wenn du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1 Kor 9,22), lobe ich deine Menschlichkeit - aber nur, wenn sie voll und echt ist.

Wie kannst du aber voll und echt Mensch sein, wenn du dich selbst verloren hast?
Auch du bist ein Mensch. Damit deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, mußt du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für dich selbst ein aufmerksames Herz haben.

Denn was würde es dir sonst nützen, wenn du - nach dem Wort des Herrn (Mt 16,26) - alle gewinnen, aber als einzigen dich selbst verlieren würdest? Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat.

Warum solltest einzig du selbst nichts von dir haben?
Wie lange bist du noch ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt
(Ps 78,39)?
Wie lange noch schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selber?
Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein?
Denk also daran: Gönne dich dir selbst.

Ich sage nicht: tu das immer, ich sage nicht: tu das oft, aber ich sage: tu es immer wieder einmal.
Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen


Bernhard v. Clairvaux an seinen früheren Mönch Papst Eugen III








Sonntag, 8. Juli 2012




Immer wieder 

ist da, 

wo ich stehe 

das Paradies
es ist nicht 

zu beschreien
und leicht 

zu übersehen.

Ulrich Schaffer

Samstag, 7. Juli 2012

Wie ist es zu erreichen das Abhängigsein ablegen? 

Durch die in langem, geduldigem Beobachten gewonnene Einsicht,
wie verkehrt und zersetzend solche Abhängigkeit ist.

Im allgemeinen sind Sie auf die freudige Erregung, den Blitz von Freude, die sie bringt, konzentriert. 

Aber bedenken Sie die Angst, den Kummer, die Unfreiheit bei all dem. 
Und bedenken Sie zugleich die Freude, den Frieden die Freiheit, die Sie immer erfüllt, wenn Sie sich von etwas lösen, woran Sie hingen. 

Dann werden Sie nicht mehr zurückblicken und von der Musik des jeweiligen Augenblicks entzückt sein.

Anthony de Mello

Freitag, 6. Juli 2012


Wie lässt sich solches Abhängigsein ablegen? 

Viele versuchen es durch Verzicht. 
Doch auf ein paar Takte Musik zu verzichten, sie aus seinem Bewusstsein zu löschen, führt zu genau derselben Gewaltsamkeit, Spannung und mangelnden Empfänglichkeit, wie dies beim Sich-Anklammern der Fall ist. 
Wieder haben Sie sich verhärtet. 

Das Geheimnis liegt darin, 
auf nichts zu verzichten, 
sich an nichts zu klammern, 
sich über alles zu freuen und 
damit einverstanden zu sein, 
dass alles vorübergeht und fließt.

Anthony de Mello


Donnerstag, 5. Juli 2012

Abhängigsein - wie kommt es dazu? 

Zuerst aus der Beziehung zu etwas, was Ihnen Spaß macht: ein Auto, ein faszinierendes neues Gerät, das die Werbung anpreist, ein Wort des Lobes oder die Gesellschaft eines Menschen. 
Darauf folgt der Wunsch, dies festzuhalten, das befriedigende Gefühl wiederzuhaben, das diese Sache oder dieser Mensch in Ihnen geweckt hat. 
Schließlich sind Sie überzeugt, dass Sie ohne ihn oder sie oder die bestimmte Sache nicht glücklich sein können, denn Sie haben das Vergnügen, das es mit sich bringt, mit Glücklichsein gleichgesetzt. 

Damit sind Sie in eine regelrechte Abhängigkeit geraten. 

Mit ihr geht unvermeidlich einher ein Ausschließen alles anderen, ein Blindsein allem gegenüber, was nicht irgendwie zu dem gehört, woran Ihr Herz hängt. So oft Sie sich auch von dem Objekt Ihrer Abhängigkeit zu trennen suchen, Ihr Herz bleibt doch daran hängen, auch wenn Sie sich bereits mit etwas anderem befassen.

Die Sinfonie des Lebens geht weiter, doch Sie schauen zurück, halten an ein paar Takten fest, verschließen vor den übrigen Klängen der Musik die Ohren und schaffen dadurch Disharmonie und Spannung zwischen dem, was das Leben Ihnen anbietet und dem, woran Ihr Herz hängt. 

Die Folge davon sind Spannung und Angst, die für die Liebe und die freudige Freiheit, die die Liebe mit sich bringt, den Tod bedeuten. Denn Liebe und Freiheit lassen sich nur finden, wenn man auf jeden einzelnen Ton, der erklingt, mit Freude hört und ihn verklingen lässt, um dem nächsten wieder aufmerksam zu lauschen.

 Anthony de Mello

Mittwoch, 4. Juli 2012

Nichts

war leichter, 

als 

von einer Leiter zur anderen hinüberzuwechseln - 

über den Abgrund.

Aber im Traum mißlang es dir, 


weil du des Absturzes 


Möglichkeit durchlebtest

Dag Hammrskjöld







Dienstag, 3. Juli 2012


Help Me

 

Lord, Help me walk
Another mile, just one more mile;
I'm tired of walkin' all alone. 


Lord, Help me to smile
Another smile, just one more smile;
Don’t think I can do things on my own. 


I never thought I needed help before;
I thought that I could get by - by myself.
Now I know I just can't take it any more.
With a humble heart, on bended knee,
I'm beggin' You, please, Help Me. 


Come down from Your golden
And throne to me, to lowly me;
I need to feel the touch of Your tender hand. 


Remove the chains of darkness
Let me see, Lord let me see;
Just where I fit into your master plan. 


I never thought I needed help before;
I thought that I could get by - by myself.
Now I know I just can't take it any more.
With a humble heart, on bended knee,
I'm beggin' You, please, Help Me.


Johnny Cash

Montag, 2. Juli 2012


Der Himmel öffnet sich
Über Jesus von Nazareth
Bei seiner Taufe im Jordan.
Er machte die beglückende Erfahrung,
daß Gott sich ihm in Liebe zuwendet
und ihn zum Leben, zu seiner Sendung ermutigt.
„Du bist mein geliebter Sohn –
du bist meine geliebte Tochter",
sagt Gott auch zum mir, zu jedem von uns.
Du stehst in meiner Liebe.
Du bist mein Kind.
Über dir steht der Himmel offen!
In dieser Zusage spüre ich die radikale
- die an die Wurzeln gehende –
und von dort heilende- Annahme Gottes.
Jetzt kann ich alles Zerstörende loslassen:
Meine Selbstzweifel, meine Angst,
meine Müdigkeit, mein Mißtrauen.
Ich darf sein, wie ich bin.
Ich bin von Gott geliebt
vor jeder Leistung, trotz aller Schuld.
So angenommen und getragen
Kann ich aus meinem Schneckenhaus heraustreten.
Wenn ich abgelehnt oder verletzt werde,
muss ich nicht mit gleicher Münze zurückzahlen.
Ich kann Barmherzigkeit, Frieden und Versöhnung leben.
Ich weiß mich von Gott mit ewiger Liebe angenommen.
Ich bin sein Kind.
Er hat Freude an mir.


Sonntag, 1. Juli 2012


Ein aufmerksames Herz - auch für sich selbst




Wo soll ich anfangen?


Am besten bei deinen zahlreichen Beschäftigungen, denn ihretwegen habe ich am meisten Mitleid mit dir. Ich fürchte, dass du, eingekeilt in deine zahlreichen Beschäftigungen, keinen Ausweg mehr siehst und deshalb deine Stirn verhärtest; dass du dich nach und nach des Gespürs für einen durchaus richtigen und heilsamen Schmerz entle­digst.


Es ist viel klüger, du entziehst dich von Zeit zu Zeit deinen Beschäftigungen, als dass sie dich ziehen und dich nach und nach an einen Punkt führen, an dem du nicht landen willst.


Du fragst, an welchen Punkt? An den Punkt, wo das Herz hart wird.

Wenn du ganz und gar für alle da sein willst, nach dem Beispiel dessen, der allen alles geworden ist (1 Kor 9,22), lobe ich deine Menschlichkeit - aber nur, wenn sie voll und echt ist. Wie kannst du aber voll und echt Mensch sein, wenn du dich selbst verloren hast?

Auch du bist ein Mensch. Damit deine Menschlichkeit allumfassend und vollkommen sein kann, musst du also nicht nur für alle anderen, sondern auch für dich selbst ein aufmerksames Herz haben.

Denn was würde es dir sonst nützen, wenn du - nach dem Wort des Herrn (Mt 16,26) - alle gewinnen, aber als einzigen dich selbst verlieren würdest? Wenn also alle Menschen ein Recht auf dich haben, dann sei auch du selbst ein Mensch, der ein Recht auf sich selbst hat.

Warum solltest einzig du selbst nichts von dir haben?
Wie lange bist du noch ein Geist, der auszieht und nie wieder heimkehrt (Ps 78,39)?
Wie lange noch schenkst du allen anderen deine Aufmerksamkeit, nur nicht dir selber?

Ja, wer mit sich selbst schlecht umgeht, wem kann der gut sein?


Denk also daran: Gönne dich dir selbst.


Ich sage nicht: tu das immer, ich sage nicht: tu das oft, aber ich sage: tu es immer wieder einmal.


Sei wie für alle anderen auch für dich selbst da, oder jedenfalls sei es nach allen anderen


Bernhard v. Clairvaux an seinen früheren Mönch Papst Eugen III