Montag, 24. Dezember 2012
DIE BESTEN DINGE
Die besten Dinge des Lebens sind uns geschenkt: Sehvermögen, Gesundheit, Liebe, Freiheit und das Leben selbst. Schade nur, dass wir uns an ihnen nicht recht erfreuen. Wir sind zu sehr von dem Gedanken belastet, dass wir nicht genug von sehr nebensächlichen Dingen besitzen: wie Geld, gute Kleider und Ruhm.
Als ich einmal zurück in meine Heimat flog, hatte das Flugzeug Verspätung, und ich war verärgert. Als es dann den Flughafen erreicht hatte, kreiste es fast eine halbe Stunde wegen „technischer Schwierigkeiten", wie es diskret hieß, über dem Flughafen, was uns noch mehr verspätete. Die halbe Stunde war voller Spannung und Sorgen. Schließlich landeten wir erleichtert. Verflogen war mein Ärger über die Verspätung. Alle waren sehr froh, sicher auf der Erde zu sein. Die Verspätung war nun eine dumme Kleinigkeit. Doch erst die Möglichkeit eines schweren Unfalls führte uns das vor Augen.
Ich las einmal von einem Mann, den die Nationalsozialisten gefangen hielten: der schrieb in einem Brief an seine Familie über seine große Freude, dass er von einer fensterlosen Zelle in eine andere verlegt worden war, die hoch oben ein Luftloch hatte, durch das er ein Stück blauen Himmel bei Tag und nachts ein paar Sterne erkennen konnte. Das betrachtete er als ein großes Glück.
Nachdem ich diesen Brief gelesen hatte, schaute ich aus meinem Fenster auf die ganze Weite des Himmels. Ich war tausendmal reicher als dieser Gefangene, und doch gab mir mein Reichtum nicht einmal einen Bruchteil der Freude, die jener von seinem Luftloch empfing.
Anthony de Mello
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