Sonntag, 13. Mai 2012


MAI

Schon von Ferne sah der Pilger die große Stadt – umgeben von einer wehrhaften Mauer und starken Wehrtürmen – überragt von einem prächtigen Dom.

Er ging zum prachtvollen Dom – erbaut zur Ehre Gottes –
von mächtigen Bischöfen und Domherren entworfen –
von deren Untertanen in Schweiß und Entbehrungen aufgebaut.
Er hörte die Fremdenführer das Bauwerk erklärten, die Namen der Herren wurden dabei gepriesen – die Namen der Menschen, die die Steine geschleppt haben, eher nicht.

… von Gott, der ja der Beweggrund zum Bau gewesen sein sollte, war in diesen Erklärungen eher  weniger die Rede.

Nachdenklich geht er durch die Straßen – die Sonne blendet ihn, als er an einer großen Fensterfassade vorbeigeht – schnell geht er weiter und
bleibt dann plötzlich stehen – aus den Augen verschwindet die Blendung und
er sieht: der mächtige Dom spiegelt sich in der Fassade wider –
hinter den Fenstern erscheint das zur Ehre Gottes erbaute Gebäude in dem Geschäftsgebäude wieder – ein Gebäude im Gebäude – DurchBLICK in den HinterGRUND

Durch die Spiegelung öffnet sich ihm die Fassade und etwas anderes wird sichtbar.

War das in seinem Leben nicht auch so?
VorderGRUeNDig pilgerte er hin zu seinem Pilgerziel!
Sicher er konnte darüber Auskunft geben
und lange Geschichten über den Weg erzählen

Was war aber der Hintergrund, warum er gerade diesen Weg ging?
Was waren seine Beweggründe, seine wirkliche Motivation?
Kannte er die denn eigentlich selbst?

Und dann diese Zu-Fälle, die alle Planungen durcheinanderwirbelten –
zum Angenehmen oder zum Unangenehmen – einfach so …
Wie oft hatte er das Empfinden, dass da eine Hand war,
die ihn vor Umwegen oder Unheil geschützt hat?
Oder gerade umgekehrt, dass ihm ein Weg, eine Möglichkeit verwehrt blieb
oder im letzten Augenblick aus der Hand genommen wurde!

Wie oft hatten sich einfache, banale Fragen oder Aufgaben als scheinbar unlösbar entpuppt und dann wieder scheinbar unlösbare Herausforderungen und Probleme „einfach“ so auf unerklärliche Weise gelöst?

Vielleicht war ein Ziel des Weges ja hinter die Fassade, hinter das VorderGRUeNDige zu schauen – durchzustoßen zu der „Geschichte hinter der Geschichte“
Vielleicht ist ja der Vorder-Grund, das allzu Offensichtliche, das was doch klar ist, was messbar und damit regelbar ist, viel weniger klar und greifbar und tragfähig wie der Hinter-Grund auf dem alles gründet – der aber nicht messbar ist und damit scheinbar nicht regel- und verfügbar. 
Als der Pilger weiterzog hatte er viel Stoff zum Nachdenken und zum Durchdenken – auf der Suche nach dem Durchblick!

Dom in Erfurt                                                                                                                                                                         © Bernd H Brang

das suchen, was hinter den Kulissen wirkt und webt und trägt

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