Montag, 31. Dezember 2012




Von guten Mächten wunderbar geborgen, (1)
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.
Noch will das Alte unsere Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Herr, gib unseren aufgescheuchten Seelen
das Heil, für das du uns bereitet hast.

Und reichst du uns den schweren Kelch,
den bittren des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann woll'n wir des Vergangenen gedenken
und dann gehört dir unser Leben ganz.

Dietrich Bonhoeffer

Sonntag, 30. Dezember 2012



 DIE GUTE NACHRICHT



Ich stelle mir vor, ich hätte nur noch ein paar Tage zu le­ben. ..
Ich darf mir einen oder zwei Menschen wählen, mit denen ich diese letzten Tage verbringe.
Ich treffe die schwie­rige Wahl... dann spreche ich mit diesem Menschen und erkläre ihm, warum ich ihn gewählt habe. . .
Zum letzten Male habe ich Gelegenheit, auf Menschen zuzugehen, die mir unsympathisch oder gleichgültig waren. Wenn ich das fertig bringe: was sage ich einem jeden jetzt, da ich fühle, dass ich an der Schwelle der Ewigkeit stehe?  ..,

Eines Tages bin ich allein in meinem Zimmer und denke an all das in meinem Leben, wofür ich besonders dankbar bin . . . und worauf ich stolz bin. . . Dann wende ich mich den Dingen zu, die ich bereue und am liebsten ungeschehen machte. .. besonders meine Sünden. . .

Während ich mich damit befasse, kommt Jesus herein.
Seine Nähe bringt mir selige Freude und Frieden... Ich er­zähle ihm einiges aus meinem Leben, was mir Leid tut. . .
Er unterbricht mich mit den Worten: "All das ist vergeben und vergessen. Weißt du nicht, dass die Liebe das Böse nicht nachträgt?" (1 Kor 13,5).
Dann fährt er fort: "Deine Sünden sind tatsächlich nicht nur vergeben, sie sind sogar in Gnade verwandelt worden. Hast du denn nie gehört, dass da, wo die Sünde groß, die Gnade übergroß ist?" (Röm 5,21).
Das klingt für mein armes, furchtsames Herz zu wunder­bar, um wahr zu sein. Da höre ich ihn sagen: "Ich bin so zufrieden mit dir, ich bin dir so dankbar. . ." Ich fange an zu protestieren, dass in meinem Leben nichts ist, was ihn so zufrieden und dankbar machen könnte. Er sagt: "Du wärest sicher einem Menschen, der für dich nur ein wenig von dem getan hätte, was du für mich getan hast, unaussprechlich dankbar. Meinst du, ich hätte weniger Herz als du?"

So lehne ich mich zurück und lasse mich von seinen Wor­ten treffen...
und mein Herz jubelt vor Freude, dass ich einen solchen Gott habe!

Anthony de Mello

Samstag, 29. Dezember 2012


 


WENN GOTT LACHT

Der indische Mystiker Ramakrishna pflegte zu sagen: Gott lacht bei zwei Gelegenheiten. Er lacht, wenn er einen Arzt zu einer Mutter sagen hört: „Haben Sie keine Angst. Ich werde den Jungen gesund machen." Gott sagt sich dann: „Ich habe vor, dem Jungen das Leben zu nehmen, und dieser Mann denkt, er könne es retten!"
Er lacht auch, wenn er sieht, wie zwei Brüder ihr Land unter sich aufteilen, indem sie eine Grenzlinie ziehen und sagen: „Diese Seite gehört mir und die andere dir." Er sagt sich dann: „Das Universum gehört mir, und diese beiden behaupten, Teile davon gehörten ihnen!"
Als ein Mann erfuhr, sein Haus sei von der Flut weggerissen worden, lachte er und sagte:
„Unmöglich! Ich habe den Hausschlüssel hier in meiner Tasche."

Anthony de Mello

Freitag, 28. Dezember 2012





Unser eigentlicher Beitrag zum Leben ist
dass wir uns treu bleiben
und nicht die Wertmaßstäbe der anderen leben.

Ulrich Schaffer

Donnerstag, 27. Dezember 2012



Ein wohlhabender Industrieller sagte zu dem Meister: „Welchen Beruf übt Ihr aus?"

„Keinen", sagte der Meister.

Der Industrielle lachte verächtlich: „Ist das nicht Faulheit?"

„Du lieber Himmel, nein! Faulheit ist meistens ein Laster sehr aktiver Menschen."

Später sagte der Meister zu seinen Schülern: „Tut nichts und alle Dinge werden durch euch geschehen. Nichtstun bedeutet in Wirklichkeit sehr viel Tätigkeit - probiert es!"

Anthony de Mello








Mittwoch, 26. Dezember 2012



 

Eins und Alles
Im Grenzenlosen sich zu finden,
Wird gern der einzelne verschwinden,
Da löst sich aller Überdruß;
Statt heißem Wünschen, wildem Wollen,
Statt lästgem Fordern, strengem Sollen,
Sich aufzugeben ist Genuß.

Weltseele, komm, uns zu durchdringen!
Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen,
Wird unsrer Kräfte Hochberuf.
Teilnehmend führen gute Geister,
Gelinde leitend höchste Meister
Zu dem, der alles schafft und schuf.

Und umzuschaffen das Geschaffne,
Damit sich's nicht zum Starren waffne,
Wirkt ewiges, lebendiges Tun.
Und was nicht war, nun will es werden
Zu reinen Sonnen, farbigen Erden;
In keinem Falle darf es ruhn.

Es soll sich regen, schaffend handeln,
Erst sich gestalten, dann verwandeln;
Nur scheinbar steht's Momente still.
Das Ewige regt sich fort in allen:
Denn alles muß in Nichts zerfallen,
Wenn es im Sein beharren will.

Johann Wolfgang von Goethe

Dienstag, 25. Dezember 2012






WÜSTENERFAHRUNG

Zwei Schmuckhändler kamen eines Nachts ungefähr gleichzeitig in einer Karawanserei in der Wüste an. Jeder war sich der Gegenwart des anderen durchaus bewusst, und als der eine sein Kamel ablud, konnte der andere der Versuchung nicht widerstehen, wie zufällig eine große Perle fallen zu lassen. Sie rollte auf den anderen zu, der sie mit gespielter Liebenswürdigkeit aufhob, sie ihrem Eigentümer zurückgab und sagte: „Ihr habt hier eine wunderschöne Perle, Sir. Groß und schimmernd wie wenige."

„Wie reizend Ihr das sagt", erwiderte der andere. „Tatsächlich ist sie eine der kleineren aus meiner Kollektion."

Ein Beduine, der am Feuer saß, hatte dieses Schauspiel beobachtet. Er erhob sich und lud die beiden ein, mit ihm zu essen. Als sie ihr Mahl begannen, erzählte er folgende Geschichte:

„Auch ich, meine Freunde, war einmal Schmuckhändler wie Ihr. Eines Tages geriet ich in der Wüste in einen großen Sturm. Meine Karawane und ich wurden hin und her getrieben, bis ich mein Gefolge verloren und mich verirrt hatte. Tage vergingen, und von panischer Angst ergriffen, merkte ich, dass ich im Kreis herumwanderte und kein Gefühl mehr hatte, wo ich war und welche Richtung ich einschlagen sollte.

Als ich fast verhungert war, lud ich alles Gepäck von meinem Kamel ab und durchwühlte es wohl zum hundertsten Mal. Stellt euch meine Aufregung vor, als ich einen Beutel fand, den ich zuvor übersehen hatte. Mit zitternden Fingern riss ich ihn auf in der Hoffnung, etwas Essbares zu finden. Ihr werdet meine Enttäuschung verstehen, als ich sah, dass er nur Perlen enthielt." 


Anthony de Mello

Montag, 24. Dezember 2012



DIE BESTEN DINGE

Die besten Dinge des Lebens sind uns geschenkt: Sehvermögen, Gesundheit, Liebe, Freiheit und das Leben selbst. Schade nur, dass wir uns an ihnen nicht recht erfreuen. Wir sind zu sehr von dem Gedanken belastet, dass wir nicht genug von sehr nebensächlichen Dingen besitzen: wie Geld, gute Kleider und Ruhm.

Als ich einmal zurück in meine Heimat flog, hatte das Flugzeug Verspätung, und ich war verärgert. Als es dann den Flughafen erreicht hatte, kreiste es fast eine halbe Stunde wegen „technischer Schwierigkeiten", wie es diskret hieß, über dem Flughafen, was uns noch mehr verspätete. Die halbe Stunde war voller Spannung und Sorgen. Schließlich landeten wir erleichtert. Verflogen war mein Ärger über die Verspätung. Alle waren sehr froh, sicher auf der Erde zu sein. Die Verspätung war nun eine dumme Kleinigkeit. Doch erst die Möglichkeit eines schweren Unfalls führte uns das vor Augen.

Ich las einmal von einem Mann, den die Nationalsozialisten gefangen hielten: der schrieb in einem Brief an seine Familie über seine große Freude, dass er von einer fensterlosen Zelle in eine andere verlegt worden war, die hoch oben ein Luftloch hatte, durch das er ein Stück blauen Himmel bei Tag und nachts ein paar Sterne erkennen konnte. Das betrachtete er als ein großes Glück.

Nachdem ich diesen Brief gelesen hatte, schaute ich aus meinem Fenster auf die ganze Weite des Himmels. Ich war tausendmal reicher als dieser Gefangene, und doch gab mir mein Reichtum nicht einmal einen Bruchteil der Freude, die jener von seinem Luftloch empfing. 





Anthony de Mello








Sonntag, 23. Dezember 2012



SCHICKSALHAFTES GEBET

Der große japanische General Nobunaga beschloss anzugreifen, obgleich seine Männer nur im Verhältnis eins zu zehn denen des Feindes gegenüberstanden. Er war von seinem Sieg überzeugt, aber seine Soldaten waren voller Zweifel. Auf dem Weg in die Schlacht hielten sie an einem Shinto-Schrein. Nachdem Nobunaga dort gebetet hatte, kam er heraus und sagte: „Ich werde nun eine Münze werfen. Wenn es Kopf ist, werden wir gewinnen, wenn Zahl, verlieren wir. Das Schicksal wird sich uns zu erkennen geben."

Er warf die Münze. Es war Kopf. Die Soldaten waren so kampfbesessen, dass sie die Schlacht mit Leichtigkeit gewannen.

Am nächsten Tag sagte ein Adjutant zu Nobunaga: „Niemand kann den Weg des Schicksals ändern."

„Ganz richtig", erwiderte Nobunaga und zeigte ihm eine gefälschte Münze, die auf beiden Seiten einen Kopf trug.

Macht des Gebetes? Macht des Schicksals?

Oder die Macht eines Glaubens, der überzeugt ist, irgendetwas werde passieren?




Anthony de Mello

Samstag, 22. Dezember 2012



UMDENKEN (2)

Diese negativen Gefühle gibt es nur in Ihnen, nicht in der Wirklichkeit. 
Hören Sie ruhig damit auf, die Wirklichkeit ändern zu wollen.
Hören Sie damit auf, andere ändern zu wollen. 
Wir verwenden unsere ganze Zeit und Kraft auf den Versuch, äußere Umstände verändern zu wollen; unsere Ehefrauen, Chefs, Freunde, Feinde - eben die anderen - umzukrempeln. 
Wir müssen nichts ändern. Niemand und nichts auf der Welt hat die Macht, Sie unglücklich zu machen, Ihnen zu schaden oder Sie zu verletzen: kein Ereignis, keine Umstände, keine Situation, auch kein anderer Mensch. 
Aber niemand hat es Ihnen gesagt; vielmehr erzählte man Ihnen das Gegenteil. 
Vergessen Sie diesen Unsinn. Deswegen haben Sie jetzt diese Probleme; deswegen schlafen Sie. 
Man hat Sie über diese Selbstverständlichkeit im unklaren gelassen. 

Anthony de Mello

Freitag, 21. Dezember 2012



UNPARTEIISCH

Jesus Christus sagte, er sei noch nie bei einem Fußballmatch gewesen. Also nahmen meine Freunde und ich ihn zu einem Spiel mit. Es war eine wilde Schlacht zwischen den protestantischen Boxern und den katholischen Kreuzfahrern.

Die Kreuzritter erzielten das erste Tor. Jesus schrie laut Beifall und warf seinen Hut in die Luft. Dann waren die Boxer vorne. Und Jesus spendete wild Beifall und warf seinen Hut in die Luft.

Das schien den Mann hinter uns zu verwirren. Er klopfte Jesus auf die Schulter und fragte: „Für welche Partei brüllen Sie, guter Mann?"

„Ich", erwiderte Jesus, den mittlerweile das Spiel sichtlich aufregte, „oh, ich schreie für keine Partei. Ich bin bloß hier, um das Spiel zu genießen."

Der Frager wandte sich seinem Nachbarn zu und feixte: „Hm, ein Atheist!"

Auf dem Rückweg klärten wir Jesus über die Lage der Religionen in der heutigen Welt auf. „Fromme Leute sind ein komisches Volk, Herr", sagten wir, „sie scheinen immer zu denken, Gott sei auf ihrer Seite und gegen die Leute von der anderen Partei."

Jesus stimmte zu. „Deswegen setze ich nie auf Religionen, ich setze auf Menschen", sagte er. „Menschen sind wichtiger als Religionen. Der Mensch ist wichtiger als der Sabbat."

„Du solltest deine Worte wägen", sagte einer von uns etwas besorgt.

„Du bist schon einmal wegen einer solchen Sache gekreuzigt worden."

„Ja - und von religiösen Leuten", sagte Jesus mit gequältem Lächeln.


Anthony de Mello



Donnerstag, 20. Dezember 2012




UMDENKEN (1)

Viele Menschen haben negative Gefühle und sind sich dessen nicht bewusst. 
Viele Leute sind frustriert und sind sich ihrer Frustration nicht bewusst. Erst wenn sie die Freude kennengelernt haben, geht ihnen auf, wie frustriert sie waren. 
Unentdeckten Krebs kann man nicht behandeln. 
Kornwürmer lassen sich nicht aus einer Scheune vertreiben, wenn nicht bekannt ist, dass es sie dort gibt.

Zuerst muss man sich also seiner negativen Gefühle bewusst werden. 
Was sind das für negative Gefühle? Schwermütigkeit, zum Beispiel. 
Sie sind verzweifelt und niedergeschlagen; 
Sie können sich selbst nicht mehr leiden oder fühlen sich schuldig.
Sie meinen, das Leben sei witzlos, es habe einfach keinen Sinn; 
Ihre Gefühle wurden verletzt, Sie fühlen sich nervös und angespannt...




Anthony de Mello

Mittwoch, 19. Dezember 2012



Es gibt etwas, das sogar Gott nicht kann", sagte der Meister zu einem Schüler, der fürchtete, jemanden zu kränken.

„Was?"

„Er kann nicht jeden zufriedenstellen", sagte der Meister.


Anthony de Mello




Dienstag, 18. Dezember 2012



VERÄNDERT

Ein Maharadscha befand sich auf hoher See, als ein schwerer Sturm losbrach. Einer der Sklaven an Bord begann vor Angst zu schreien und zu jammern, denn er war noch nie zuvor auf einem Schiff gewesen. Er schrie so laut und ausdauernd, dass die Passagiere ärgerlich wurden und der Maharadscha den Mann ins Meer werfen wollte.

Aber sein Hauptratgeber war ein Weiser. Er sagte: „Nein. Lasst mich mit dem Mann verhandeln. Ich denke, ich kann ihn kurieren."

Er befahl einem Matrosen, den Mann ins Wasser zu werfen. Der arme Sklave begann in den hohen Wellen zu schreien und wild um sich zu schlagen. Einige Sekunden später ließ der Weise ihn wieder an Bord hieven.

Wieder im Trockenen, lag der Sklave in einer Ecke und gab keinen Laut mehr von sich. Als der Maharadscha seinen Ratgeber nach dem Grund fragte, antwortete dieser: „Wir merken erst, wie gut es uns geht, wenn sich die Lage verschlechtert."

Ein großer und törichter König beklagte sich, dass der unebene Boden seinen Füßen Schmerz bereite, also befahl er, das ganze Land mit Kuhhäuten auszulegen.

Der Hofnarr lachte, als der König ihm von seinem Befehl erzählte. „Was für eine total verrückte Idee, Euer Majestät!" rief er. „Warum diese unnütze Ausgabe? Lasst Euch einfach zwei kleine Hecken Kuhhaut zurechtschneiden, um Eure Füße zu schützen!"

Das tat der König, und damit waren die Schuhe erfunden.

Erleuchtete wissen, nicht die Welt muss verändert werden, um den Schmerz zu verbannen, sondern dein Herz.

Anthony de Mello



Montag, 17. Dezember 2012



Das große Geheimnis
mit Sorgen
fertig
zu werden
besteht darin,
als beherrschende geistige Haltung
Glauben
an die Stelle von
Angst
zu setzen.

Zwei große Kräfte in dieser Welt
sind mächtiger als alle andere:

Angst und Glaube.

Und
 der Glaube
ist stärker
als die Angst.

Norman Vincent Peale

Sonntag, 16. Dezember 2012




Denjenigen Schülern, die naiv darauf vertrauten, dass sich nichts erreichen lässt ohne den entschiedenen Willen dazu, konnte der Meister sagen: „Die besten Dinge im Leben können nicht durch Willenskraft Wirklichkeit werden."

„Du kannst mit Willenskraft Essen in deinen Mund stecken, aber nicht mit Willenskraft Appetit bekommen. 
Du kannst dich mit Willenskraft ins Bett legen, aber nicht mit Willenskraft einschlafen. 
Du kannst mit Willenskraft jemandem ein Kompliment machen, aber nicht mit Willenskraft Bewunderung wecken. 
Du kannst mit Willenskraft ein Geheimnis mitteilen, aber nicht mit Willenskraft Vertrauen schaffen. 
Du kannst mit Willenskraft einen Dienst erweisen, aber nicht mit Willenskraft Liebe schenken." 

Anthony de Mello

Samstag, 15. Dezember 2012



GEGENWART

Es ist typisch für die Hebräer der Bibel, Gottes Handeln in allen Dingen zu sehen. Wir halten uns fast ausschließlich mit sekundären Ursachen auf, während die Hebräer meist auf die Erste Ursache blickten. Sind ihre Armeen im Kampf geschlagen worden? Nein, Gott hat sie geschlagen; das Unvermögen der Generäle hat nichts damit zu tun! Wurde ihre Ernte von Heuschrecken zerstört? Gott hat sie geschickt.

Zugegeben, ihr Wirklichkeitssinn war einseitig. Sie haben anscheinend sekundäre Ursachen ganz ignoriert. Unser moderner Wirklichkeitssinn ist auf noch extremere Weise einseitig, denn wir ignorieren anscheinend vollständig die Erste Ursache. Sind deine Kopfschmerzen verschwunden? Die Hebräer würden gesagt haben: „Gott hat dich gesund gemacht!" Und wir: „Lass Gott aus dem Spiel. Die Aspirintablette hat dich gesund gemacht."

Uns hingegen ist ganz der Sinn für das Werk des Unendlichen in unserem Leben verlorengegangen. Wir spüren nicht mehr, dass Gott uns gesund macht durch unsere Ärzte, dass Gott jedes Ereignis unseres Lebens formt, dass Gott jeden Menschen, dem wir begegnen, schickt, dass er uns im leichten Wind umspielt und uns bei jeder Empfindung berührt. Er erschafft alle Laute um uns, damit wir sie hören und uns Gottes Gegenwart bewusst werden.








Freitag, 14. Dezember 2012





Hätten wir den stillen Punkt in uns gefunden 
wären die Armeen nicht nötig.

Ulrich Schaffer

Donnerstag, 13. Dezember 2012



MECHANISCH

Es gibt nichts Schöneres, als bewusst zu leben. Oder würden Sie lieber in Dunkelheit leben? Würden Sie lieber handeln und sich Ihres Tuns nicht bewusst sein, sprechen und sich Ihrer Worte nicht bewusst sein ? Würden Sie lieber Menschen zuhören und sich nicht bewusst sein, was Sie hören, Dinge sehen und sich nicht bewusst sein, was Sie betrachten?

Sokrates sagte: „Das unbewusste Leben ist es nicht wert, gelebt zu werden." Eine selbstverständliche Wahrheit. Die meisten Menschen leben nicht bewusst. Sie leben mechanisch, denken mechanisch - im allgemeinen die Gedanken anderer-, fühlen mechanisch, handeln mechanisch, reagieren mechanisch.

Wollen Sie sehen, wie mechanisch Sie wirklich sind? „Oh, tragen Sie aber ein hübsches Hemd." Es tut Ihnen gut, so etwas zu hören. Allein wegen einem Hemd, nicht zu glauben! Sie sind stolz auf sich, wenn Sie so etwas hören.

Es kommen Menschen in mein Zentrum in Indien und sagen: „Was für ein schöner Ort, diese schönen Bäume" (für die ich überhaupt nicht verantwortlich bin), „dieses herrliche Klima!" Und schon fühle ich mich gut, bis ich mich dabei erwische, dass mir das gut getan hat und ich mir sage: „Kannst du dir so etwas Dummes vorstellen?" Ich bin doch nicht für diese Bäume verantwortlich und habe auch nicht diesen Ort ausgesucht, sowenig wie ich das Wetter bestellt habe; es ist einfach so. Aber ich fühle mich angesprochen, also tut es mir gut. Ich bin stolz auf „meine" Kultur und „mein" Volk. Wie dumm kann man noch werden? Wirklich wahr!

Anthony de Mello


Mittwoch, 12. Dezember 2012




THANH THUYS APFEL

Heute kamen drei Kinder aus dem Dorf, zwei Mädchen und ein Junge, und wollten mit Thanh Thuy spielen. Alle vier rannten zum Hügel hinter dem Haus, um dort zu spielen. Nach vier Stunden erst kamen sie zurück und wollten etwas trinken.

Ich nahm die letzte Flasche von unserem selbstgemachten Apfelsaft und schenkte allen ein Glas ein, zuletzt Thuy. 
Sie hatte nun den Rest vom Boden der Flasche bekommen; er enthielt etwas Fruchtfleisch und wer eingetrübt. Sie schmollte und wollte den Saft nicht trinken. 
So lief sie mit den anderen Kindern zurück zum Hügel, ohne etwas getrunken zu haben.

Eine halbe Stunde später, als ich gerade in meinem Zimmer meditierte, hörte ich sie rufen. Sie wollte gern ein Glas Wasser trinken, aber auch auf Zehenspitzen reichte sie noch nicht an den Wasserhahn heran. Ich erinnerte sie an ihr Glas Saft auf dem Tisch und bat sie, dieses doch zuerst zu trinken. 

Sie drehte sich zum Glas um und stellte fest, daß das Fruchtfleisch sich gesetzt hatte und der Saft ganz klar und appetitlich aussah. 

So ging sie zum Tisch und nahm das Glas in beide Hände. Sie trank es zur Hälfte aus, setzte es ab und sagte:
 „Ist das ein anderes Glas, Onkel Mönch?“ (eine übliche Anrede vietnamesischer Kinder, wenn sie mit einem älteren Mönch reden). 
„Nein“, erwiderte ich, „es ist dasselbe Glas. Es hat hier nur eine Weile gestanden, und nun ist der Satt ganz klar und köstlich.“ 

Thuy betrachtete erneut das Glas. „Er ist wirklich gut. Hat er meditiert so wie du, Onkel Mönch?“ 
Ich mußte lachen und streichelte ihr über den Kopf. „Sagen wir einmal so: Ich ahme den Apfelsaft nach, wenn ich still sitze - das kommt der Wahrheit am nächsten.“


Thich Nhat Hanh, vietnamesischer Zen-Meister und Schriftsteller

Dienstag, 11. Dezember 2012



DIE EINFACHEN DINGE DES LEBENS (2)

Wenn Sie das Leben und die einfachen Sinnesfreuden wirklich genießen würden - Sie wären überrascht. 
Sie würden die außergewöhnliche Disziplin eines Tieres entwickeln. 
Ein Tier isst niemals zuviel, in seiner natürlichen Umgebung wird es nie zu dick.
Es wird niemals etwas essen oder trinken, das seiner Gesundheit schaden könnte: Sie würden nie ein Tier Zigaretten rauchen sehen. Es bewegt sich soviel, wie es braucht - beobachten Sie einmal Ihre Katze nach ihrer Mahlzeit, sehen Sie, wie sie sich ausruht und wie sie mit einem Sprung wieder in Aktion ist, sehen Sie, wie geschmeidig ihre Glieder und wie lebendig ihr Körper ist. 
Das haben wir verloren. Wir sind nur noch kopfgesteuert, haben uns in unseren Ideen und Idealen verloren, und ständig heißt es: weiter, weiter. 
Auch stehen wir in einem inneren Konflikt, den Tiere nicht haben. Wir machen uns selbst immer wieder Vorwürfe und plagen uns mit Schuldgefühlen. Sie werden wissen, wovon ich spreche.

Anthony de Mello

Montag, 10. Dezember 2012



DIE EINFACHEN DINGE DES LEBENS (1)

Leider haben sich die Menschen irgendwie verrannt, sie werden immer abhängiger, da sie die schönen Dinge des Lebens nicht zu genießen verstehen.

In den siebziger Jahren appellierte Präsident Carter an die Amerikaner, den Gürtel enger zu schnallen. Dabei dachte ich mir: Er sollte nicht an sie appellieren, mehr zu sparen, sondern sie daran erinnern, das, was sie haben, mehr zu genießen. Ich glaube, die meisten Menschen in reichen Ländern haben das verlernt. Sie brauchen immer teurere technische Spielereien, sie können sich nicht an den einfachen Dingen des Lebens erfreuen. Wohin man geht, ob im Supermarkt oder in Wartesälen, ertönt die schönste Musik, aber ich habe noch keinen getroffen, der ihr je gelauscht hätte - keine Zeit, keine Zeit. Sie sind schuldig, sie haben keine Zeit, das Leben zu genießen. Sie sind überlastet: weiter, weiter.

Anthony de Mello

Sonntag, 9. Dezember 2012



Herbsttag

Herr: Es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren
und auf den Fluren laß die Winde los.

Befiehl den letzten Früchten reif zu sein
gib Ihnen noch zwei südlichere Tage
dräng sie zur Vollendung hin und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.

Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr
wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird lesen, wachen, lange Briefe schreiben
und wird auf den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.

Rainer Maria Rilke 

Samstag, 8. Dezember 2012



UNSICHERHEIT

Jeder hat dann und wann Gefühle, die als Unsicherheit bekannt sind. Sie fühlen sich unsicher wegen der Summe des Geldes, das Sie bei der Bank haben, wegen der Summe der Zuneigung, die Ihnen Ihr Freund zukommen lässt oder wegen der Art Ihrer Ausbildung, die Sie genossen haben. Auch fühlen Sie sich unsicher wegen Ihrer Gesundheit, Ihres Alters, Ihres Aussehens.

Würde man Ihnen die Frage stellen: „Warum fühlen Sie sich denn unsicher?", würden Sie höchstwahrscheinlich die falsche Antwort geben. Sie werden vielleicht sagen: „Ich werde von einem Freund nicht genug geliebt" oder: „Ich habe nicht die akademische Ausbildung, die ich brauchte", oder etwas Ähnliches. 
Mit anderen Worten: Sie werden die Aufmerksamkeit auf einen äußeren Umstand lenken und nicht merken, dass Gefühle der Unsicherheit nicht durch etwas verursacht werden, was nicht außerhalb von Ihnen liegt, sondern nur durch Ihre vorgegebenen schematischen Gefühlsabläufe, durch etwas, was Sie sich selbst einreden.

Wenn Sie Ihr Denkschema wechseln, sind Ihre Gefühle der Unsicherheit im Handumdrehen verschwunden, obwohl alles um Sie herum genauso ist wie vorher. Der eine fühlt sich auch ohne Geld auf der Bank ganz sicher, der andere fühlt sich unsicher, obwohl er Millionen besitzt. 
Nicht die Menge des Geldes, sondern Ihr Denkschema macht den Unterschied. Der eine hat praktisch keine Freunde, ist sich aber der Liebe der Menschen völlig sicher. Ein anderer fühlt sich selbst bei der besitzergreifendsten und ausschließlichsten Beziehung unsicher. Wieder bildet das Denkschema den Unterschied.

Anthony de Mello



Freitag, 7. Dezember 2012



Die Natur ist die große Ruhe 
gegenüber unserer Beweglichkeit. 
Darum wird sie der Mensch immer mehr lieben, 
je feiner und beweglicher er werden wird.
Sie gibt ihm 
die großen Züge, die weiten Perspektiven 
und zugleich 
das Bild einer bei aller unermüdlichen Entwicklung erhabenen Gelassenheit.

Christian Morgenstern

Donnerstag, 6. Dezember 2012



INS HEUTE KOMMEN

Warum haben Sie denn Angst? Können Sie mit all Ihren Ängsten Ihr Leben auch nur um den kürzesten Augenblick verlängern? 
Warum sich wegen des Morgen beunruhigen? Gibt es ein Leben nach dem Tod? Werde ich nach dem Tod weiterleben? 
Warum sich mit dem Morgen plagen? Kommen sie ins Heute.

Jemand sagte einmal: „Das Leben ist etwas, das uns widerfährt, während wir damit beschäftigt sind, andere Pläne zu schmieden." 

Das ist tragisch. 
Leben Sie den gegenwärtigen Augenblick. Es ist eine der Ansichten, zu der Sie gelangen werden, wenn Sie wach geworden sind. 
Sie werden erkennen, dass Sie in der Gegenwart leben und jeden Augenblick zu schätzen wissen.

Anthony de Mello

Mittwoch, 5. Dezember 2012










Plötzlich 
weiß ich, daß es gehen
   wird –
trotz der Anstrengung.

Ulrich Schaffer

Dienstag, 4. Dezember 2012


Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein. (2)


Du bist ein Kind Gottes.
Dich klein zu machen nutzt der Welt nicht.

Es zeugt nicht von Erleuchtung, sich zurückzunehmen,

nur damit sich andere Menschen um dich herum

nicht verunsichert fühlen.

Wir alle sind aufgefordert, wie die Kinder zu strahlen.

Wir wurden geboren, um die Herrlichkeit Gottes,
die in uns liegt, auf die Welt zu bringen.

Sie ist nicht in einigen von uns, 

sie ist in jedem.

Und indem wir unser eigenes Licht scheinen lassen, 

geben wir anderen Menschen unbewusst die Erlaubnis, 
das Gleiche zu tun.

Wenn wir von unserer eigenen Angst befreit sind,
befreit unser Dasein automatisch die anderen.


Nelson Mandela

Montag, 3. Dezember 2012


DASEIN FÜR...

Eine Fabel des arabischen Mystikers Sa'di: Unterwegs im Wald sah ein Mann einen Fuchs, der seine Beine verloren hatte. Er wunderte sich, wie das Tier wohl überleben konnte. Dann sah er einen Tiger mit einem gerissenen Wild. Der Tiger hatte sich satt gefressen und überließ dem Fuchs den Rest. Am nächsten Tag ernährte Gott den Fuchs wiederum mit Hilfe des gleichen Tigers. Der Mann war erstaunt über Gottes große Güte und sagte zu sich: „Auch ich werde mich in einer Ecke ausruhen und dem Herrn voll vertrauen, und er wird mich mit allem Nötigen versorgen."

Viele Tage brachte er so zu, aber nichts geschah, und der arme Kerl war dem Tode nahe, als er eine Stimme hörte: „Du da, auf dem falschen Weg, öffne die Augen vor der Wahrheit! Folge dem Beispiel des Tigers und nimm dir nicht länger den behinderten Fuchs zum Vorbild."

Auf der Straße traf ich ein kleines Mädchen, zitternd in einem dünnen Kleid, ohne Hoffnung, etwas Warmes zu essen zu bekommen. Ich wurde zornig und sagte zu Gott: „Wie kannst du das zulassen? Warum tust du nichts dagegen?"

Eine Zeitlang sagte Gott nichts. Aber in der Nacht antwortete er ganz plötzlich: „Ich habe wohl etwas dagegen getan. Ich habe dich geschaffen."

Anthony de Mello





Sonntag, 2. Dezember 2012

Der Tag,  
an dem du für jede Kleinigkeit in deinem Leben
Dankbarkeit empfinden kannst, 
an diesem Tag 
wird dein Herz mit einer tiefen Zufriedenheit erfüllt sein und 
beinahe beständige Freude wird dein sein. 
Wer ständig froh sein will, 
der muss ständig dankbar sein; 
das ist das Geheimnis.

Anthony de Mello


Samstag, 1. Dezember 2012


Ein Wissenschaftler führte dem Meister einen Dokumentarfilm über die Errungenschaften der modernen Naturwissenschaften vor.

„Heute sind wir in der Lage, eine Wüste zu bewässern", triumphierte er, „die Kraft der Niagarafälle zu nutzen, die Zusammensetzung eines weit entfernten Sternes zu ermitteln und den Aufbau eines Atoms zu durchschauen. Unsere Eroberung der Natur wird bald keine weißen Hecken mehr kennen."

Der Meister war beeindruckt, aber nachdenklich. 

Später sagte er:

„Warum die Natur erobern? Die Natur ist unser Freund. Warum stecken wir diese Energie nicht in die Überwindung des einzigen Feindes des Menschengeschlechts - die Furcht?"


Anthony de Mello

Freitag, 30. November 2012

Immer wieder ist da,
wo ich stehe das Paradies
es ist nicht zu beschreiben 
und leicht zu übersehen.

Ulrich Schaffer

Donnerstag, 29. November 2012

Unsere tiefste Angst ist es nicht, ungenügend zu sein. (1)

Unsere tiefste Angst ist es,
dass wir über alle Maßen kraftvoll! sind.

Es ist unser Licht, nicht unsere Dunkelheit,
was wir am meisten furchten.

Wir fragen uns, wer bin ich denn,

um von mir zu glauben, dass ich brillant,
großartig, begabt und einzigartig bin?

Aber genau darum geht es,
warum solltest du es nicht sein?



Nelson Mandela

Mittwoch, 28. November 2012

Es ist leicht auf den Wellen zu gehen –
Man muss nur einwenig weniger Dicht sein und
An die Erlösung von die Schwere glauben
Sagt mir eine Flunder, die nach Luft schnappt.

Ulrich Schaffer

Dienstag, 27. November 2012


MENSCHLICHER FORTSCHRITT

Der Meister begrüßte die technologischen Fortschritte, war sich aber durchaus ihrer Grenzen bewusst.

Als ihn ein Industrieller fragte, was er arbeite, antwortete er: „Ich bin in der Menschen-Industrie tätig." 

„Und was bitte ist das?" fragte der Industrielle. 
„Nehmt Euch selbst", sagte der Meister. „Ihr bemüht Euch um die Herstellung besserer Dinge, ich bemühe mich, bessere Menschen hervorzubringen."

Zu seinen Schülern sagte er später: „Ziel des Lebens ist es, Menschen zum Erblühen zu bringen. Heute scheint man mehr damit beschäftigt, Sachen zu perfektionieren."


Anthony de Mello

Montag, 26. November 2012

Anmut und Behagen (3)
  
Ich sah auch schlechte Künstler,
verkrampft über zu schwierigen Stücken.
Ihr Spiel offenbarte ihre ganze Mühsal.
Vor lauter Hinsehn hörte man die Musik kaum.

Ein großer Schmerz für uns ist es,
daß wir deine schöne Musik so freudlos spielen,
Herr, der du uns Tag um Tag bewegst.

Daß wir immer noch bei den Tonleitern sind,
bei der Zeit der anmutslosen Bemühungen.
Daß wir zwischen den Menschen hindurchgehn
wie schwerbeladene, ernste, überanstrengte Leute.
Daß wir es nicht fertigbringen, über unserm Winkel der Welt,
während der Arbeit, der Hast, der Ermüdung
etwas auszubreiten wie

Anmut und Behagen der Ewigkeit.

Madeleine Delbrêl

Sonntag, 25. November 2012



Es gibt immer etwas,
was für den Menschen besser und
etwas, was für sie angenehmer ist.
Beide führen zu etwas Verschiedenem und
sind die Bindungen der Menschen.
Wer das Bessere wählt erlangt sein Heil.
Wer sich für das Angenehmere entscheidet, 
der verfehlt den Sinn des Lebens.
Der Mensch hat stets die Wahl
zwischen dem Angenehmeren und dem Besseren.
Wenn er weise ist,
trifft er die rechte Entscheidung und
zieht das Bessere dem Angenehmeren vor.
Ist er töricht,
dann entscheidet er sich
für das Angenehmere, 
für Reichtum und Sicherheit.

Katha Upanishade

Samstag, 24. November 2012

ZU SCHNELL

Ein junger Manager rief eines Tages seinen Auslandsvertreter an und sagte kurz angebunden: „Ich rufe an, weil ich Anweisungen geben will. Der Anruf wird nur drei Minuten dauern. Ich werde sprechen und bitte Sie, nicht zu unterbrechen. Irgendwelche Anmerkungen dazu oder Fragen kabeln Sie bitte später."


Dann begann er, seine Anweisungen durchzugeben. Er tat das so schnell, dass er schon vor der Zeit fertig war.

„Wir haben noch zwanzig Sekunden übrig", sagte er dem Mann am anderen Ende der Leitung. „Haben Sie etwas dazu zu sagen?"

„Ja", kam die Antwort, „Sie haben so schnell gesprochen, dass ich nicht ein Wort verstehen konnte." 


Anthony de Mello

Donnerstag, 22. November 2012

Anmut und Behagen (2)
Ich sah einen, der eine Zigeunerweise spielte
auf einer Geige aus Holz,

Mit Händen aus Fleisch.
In dieser Geige trafen sich sein Herz und die Musik.
Die Zuhörer hätten niemals erraten können,
daß die Melodie schwierig war,
Und wie lang er Tonleitern üben mußte,
seine Finger verrenken,
um die Noten und Klänge sich in die Fibern
seines Gehirns einprägen zu lassen.

Sein Körper war fast ohne Bewegung,
nur seine Finger, seine Arme.
Wenn er sich lang bemüht hatte, die Wissenschaft
der Musik zu besitzen, so war es jetzt die Musik,
die ihn besaß, ihn belebte,
ihn aus sich selber hinauswarf wie eine tönende Entzückung.

Unter jeder gespielten Note hätte man eine ganze Geschichte
von Fingerübungen, Anstrengungen, Kämpfen entdecken können;
aber jede Note enteilte, als sei ihre Aufgabe erledigt,
wenn sie durch ihren genauen, vollkommenen Klang den Weg
für eine andere vollkommene Note gebahnt.

Jede dauerte solange es nötig war.
Keine ging zu schnell los.
Keine verzögerte sich.
Sie dienten einem unmerklichen und allmächtigen Hauch.


Madeleine Delbrêl