NICHT MEHR DIE WIRKLICHKEIT
Schauen Sie auf Ihr Leben, so werden Sie
feststellen, dass es die Abhängigkeiten und Ängste sind, die darüber
entscheiden, was Sie wahrnehmen und was Sie verdrängen. Wovon auch immer Sie
Notiz nehmen, es beansprucht Ihre Aufmerksamkeit. Und da Sie beim Sehen
auswählen, besitzen Sie ein trügerisches Bild der Menschen und Dinge um Sie
herum. Je länger Sie mit diesem Zerrbild leben, desto mehr sind Sie davon
überzeugt, dass es das einzige wahre Bild der Welt ist, denn Ihre
Abhängigkeiten und Ängste verarbeiten auch die neu eingehenden Informationen
weiterhin so, dass sie das vorhandene Bild neu bestätigen.
Auf diese Weise bilden sich Ihre
Überzeugungen: feste, unveränderliche Sichtweisen einer Wirklichkeit, die aber
weder fest noch unveränderlich ist, sondern immer in Bewegung und im Wandel.
Dadurch ist es nicht mehr die wirkliche Welt, auf die Sie eingehen und die Sie
lieben, sondern eine Welt, die in Ihrem Kopf entstanden ist. Nur wenn Sie von
Ihren starren Überzeugungen ablassen, Ihre Ängste und die Abhängigkeiten
aufgeben, die diese Ängste erst hervorrufen, werden Sie von der
Empfindungsarmut befreit sein, die Sie so taub und blind sich selbst und der
Welt gegenüber macht.
Ein Mann in der Bar wandte sich zu dem neben
ihm sitzenden Fremden und sagte:
„Ich verstehe es einfach nicht. Ich brauche
nur einen kleinen Drink, nur einen einzigen kleinen Drink, und schon bin ich
betrunken."
„Wirklich. Nur einen?"
„Ja. Und gewöhnlich ist es der achte."
Anthony de Mello
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