Es war für den Alltagspilger nicht einfach ... geplant hatte er mit fremden ( Pilger von peregrinus - der Fremde; in der Fremde sein) Menschen, die sich durch verschiedene Treffen einander immer vertrauter gemacht hatten, tiefer in ein altes Geschichten- & Weisheitsbuch einzutauchen.
Doch dieses Treffen wurde ihm unterbrochen, durch eine Reise, die für ihn anstrengend und mühsam war.
Und doch konnte er in die Gemeinschaft und die Geschichten wieder eintauchen. Auch die Natur half ihm dabei Kraft zu schöpfen: das beruhigende Plätschern eines Bachs mit seinen kleinen Wasserfällen; eine besondere Kirche ludt zum Verweilen ein; wunderschöne Sonnenuntergänge zum Staunen und Kraftschöpfen ...
Kraftschöpfen und auch Vernetzten mit anderen Pilgern durch den Alltag des Lebens ...
Vielleicht folgt der Pilgerweg unseres Leben ja doch einem innewohnenden Plan, einem verborgen Weggeflecht hin zu einem (gemeinsamen ?) Ziel ...
(WEGGABELUNGEN)
Es war einmal ein Wunderknabe, der im zartesten Alter schon die ganze Welt erkannte.
Unter der Tür des Elternhauses wußte er über alles Bescheid, und von weither kamen die Menschen, um ihn sprechen zu hören und um seinen Rat zu holen.
Er war zum Glück auch ein glänzender Redner und ließ den schwierigsten Fragen die größten Worte angedeihen, und manchmal auch die längsten. Man wußte nicht, woher er sie hatte, wie es bei Wunderknaben so ist. Sie lagen ihm einfach im Mund. Sein Ruf ging in die Welt hinaus, und bald wollte man überall von seinem Wissen profitieren.
So machte er sich auf die Wanderschaft und nahm sich vor, die ganze Welt, über die er immer gesprochen hatte, nun auch zu berühren. Doch kaum eine Stunde von zu Hause kam er an einen Scheideweg, der ihn zwang, zwischen drei Möglichkeiten zu wählen, denn nicht einmal ein Wunderknabe kann zugleich in verschiedene Richtungen gehen.
Er ging geradeaus weiter und mußte dabei links ein Tal und rechts ein Tal ungesehen liegen lassen. Schon war seine Welt zusammengeschrumpft. Auch bei der nächsten Gabelung büßte er Möglichkeiten ein und bei der dritten und bei der vierten.
Jeder Weg, den er einschlug, jede Wahl, die er traf, trieben ihn in eine engere Spur. Und wenn er auf den Dorfplätzen sprach, wurden die Sätze immer kürzer.
Die Rede floß ihm nicht mehr wie einst, als er ins Freie getreten war. Sie war belastet von Unsicherheit über das unbegangene Land, das er schon endgültig hinter sich wußte.
So ging er und wurde älter dabei, war schon längst kein Wunderkind mehr, hatte tausend Wege verpaßt und Möglichkeiten auslassen müssen.
Er machte immer weniger Worte, und kaum jemand kam noch, ihn anzuhören.
Er setzte sich auf einen Meilenstein und sprach nun nur noch zu sich selbst: "Ich habe immer nur verloren: an Boden, an Wissen, an Träumen. Ich bin mein Leben lang kleiner geworden. Jeder Schritt hat mich von etwas weggeführt. Ich wäre besser zu Hause geblieben, wo ich noch alles wußte und hatte, dann hätte ich nie entscheiden müssen, und alle Möglichkeiten wären noch da."
Müde, wie er war, ging er dennoch den Weg zu Ende, den er einmal begonnen hatte, es blieb ja nur noch ein kurzes Stück.
Abzweigungen gab es jetzt keine mehr, nur eine Richtung war noch übrig und von allem Wissen und Reden nur ein einziges letztes Wort, für das der Atem noch reichte.
Er sagte das Wort, das niemand hörte, und schaute sich um und merkte erstaunt, daß er auf einem Gipfel stand. Der Boden, den er verloren hatte, lag in Terrassen unter ihm.
Er überblickte die ganze Welt, auch die verpaßten Täler, und es zeigte sich also, daß er im Kleiner- und Kürzerwerden ein Leben lang aufwärts gegangen war.
(Hans Künstler)
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